Die Konjunkturforschungsstelle der ETH Zürich (KOF) rechnet mit enormen Kosten durch die COVID-19-Pandemie. Anhand verschiedener Szenarien haben die Forscher versucht, die kurzfristigen Kosten für die Schweizer Volkswirtschaft zu beziffern.
Im «schärfsten» Szenario könnte sich demnach die Schweizer Wertschöpfung gegenüber einer normalen Entwicklung um knapp 15 Prozent verringern, was einem Verlust von 35 Milliarden Franken entsprechen würde. Im günstigsten der vier zugrunde gelegten Szenarien ergibt sich nach der KOF-Berechnung immer noch ein Verlust von rund 22 Milliarden, wie es in einer am Dienstag veröffentlichten Studie hiess.
Viele kranke Angestellte
Bei den Szenarien wird grob unterteilt nach der Laufzeit der restriktiven Massnahmen auf einen Monat (Mai) oder einer Verlängerung auf zwei Monate (bis Juni). Als zweite Variable wird die Ausprägung der Abkühlung der internationalen Konjunktur in «stark» oder «sehr stark» zugrunde gelegt.
Dabei würden die Massnahmen des Bundesrats zur Bekämpfung der Pandemie jedoch nur einen Teil des Rückgangs ausmachen. Ein beträchtliche Rückgang des Wertschöpfungsniveaus sei auf die krankheitsbedingten Arbeitsausfälle wegen Covid-19 und die Abkühlung der internationalen Konjunktur zurückzuführen.
Weitaus mehr als die Hälfte aller kurzfristigen Einbussen machen in den meisten Szenarien internationale Nachfragerückgänge und Lieferengpässe aus.
«Hammer und Tanz»
Die meisten Regierungen weltweit würden inzwischen eine sogenannte «Hammer und Tanz»-Strategie verfolgen, wie es in der Studie weiter hiess. Dabei stellt die «Hammer»-Phase die Einschnitte in das Gesellschafts- und Wirtschaftsleben dar.
Als «Tanz»-Phase wird der Versuch einer Rückkehr zur Normalität mit einer vollständigen oder teilweisen Aufhebung der Restriktionen sowie der Schul- und Betriebsschliessungen bezeichnet. Auch in dieser Phase würden sich Kosten durch die Arbeitsausfälle aufgrund von Krankheit und Quarantäne ergeben.
Handel, Verkehr und Gastgewerbe am härtesten getroffen
Die Wirtschaftsbereiche sind in den verschiedenen Modellen unterschiedlich stark betroffen. In allen Szenarien weisen die Bereiche Handel, Verkehr und Gastgewerbe die grössten Rückgänge auf. Hier sei während der Monate März bis Juni mit Wertschöpfungsrückgängen von 15 bis 25 Prozent zu rechnen.
Die geringsten Auswirkungen werden durchgängig im Baugewerbe erwartet, wobei hier ausschlaggebend sei, wie viele Arbeitnehmende erkranken oder unter Quarantäne gestellt werden müssen.
In der Industrie und auch bei den unternehmensnahen Dienstleistungen zeigt sich hingegen vor allem die starke Abhängigkeit von der internationalen Konjunkturentwicklung.
Arbeitsausfälle durch Krankheit und Quarantäne
Als wichtigste Faktoren bei den Kosten durch Arbeitsausfälle in der «Tanz»-Phase nennt die Studie die Infektionsrate und die Zahl der Personen, die durch Quarantänemassnahmen betroffen sind.
Laut den Berechnungen der KOF kann der Arbeitskosten-Anteil am gesamten Wertschöpfungsverlust in einem ungünstigen Szenario bis zu 38 Prozent betragen.
Die KOF weibelt für eine schnelle Lockerung
Eine schnellstmögliche, zumindest partielle Aufhebung der Betriebsschliessungen sei aus wirtschaftlicher Sicht geboten, schreibt die KOF. Dies jedoch unter der Voraussetzung, dass die notwendige Stabilisierung der Basisreproduktionszahl unterhalb von 1 gewährleistet werden kann.
Das bedeutet, dass jede infizierte Person weniger als eine neue Person infiziert. Dazu brauche es effiziente Tests und effiziente Methoden zur Nachverfolgung, Isolation und Quarantäne.
Die Autoren der Studie haben sich auf die direkten, kurzfristigen Effekte beschränkt und betrachten einzig den Zeitraum März bis Juni dieses Jahres. Auf die mittel- bis langfristigen Kosten wird explizit nicht eingegangen.
(awp/mbü)