Seit Ende 2021 seien auf den Energiemärkten hohe Preisausschläge zu beobachten. Diese hätten mit dem Krieg in der Ukraine in einem bisher nicht bekannten Ausmass zugenommen. Das wiederum führe zu einem stark erhöhen Liquiditätsbedarf von Stromunternehmen, die im Handel tätig seien, schreibt der Bundesrat am Donnerstag in einer Mitteilung. Ein unkontrollierter Ausfall eines grösseren Unternehmens könnte die Versorgungssicherheit der Schweiz gefährden und eine Kettenreaktion nach sich ziehen.

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Um das zu vermeiden und die Gewährleistung der Stromversorgung in der Schweiz auch bei einer weitere Verschärfung der Situation sicherzustellen, hat der Bundesrat deshalb an seiner Sitzung vom Mittwoch 13. April beschlossen, die Arbeiten für einen Rettungsschirm für systemkritische Stromunternehmen sowie eine entsprechende gesetzliche Grundlage voranzutreiben.

Dazu vertieft der Bund die Gespräche mit den wichtigsten Stromunternehmen im Hinblick auf eine kurze Vernehmlassung. Ein entsprechendes dringliches Bundesgesetz müsste in der Sommersession 2022 in den eidgenössischen Räten im Sonderverfahren beraten und dringlich in Kraft gesetzt werden, so die Mitteilung.

Bund will nur subsidiär tätig werden

Grundsätzlich seien aber in erster Linie die Unternehmen selbst gefordert. Der Bund will nur subsidiär zu den Unternehmen selbst und ihren Fremd- und Eigenkapitalgebern tätig werden. Dabei sollen die Bedingungen für eine allfällige Unterstützung sehr streng sein, um so Fehlanreize zu verhindern. Dazu gehören gemäss der Mitteilung Transparenzvorschriften, eine marktgerechte Verzinsung, ein Dividendenausschüttungsverbot sowie Sicherheiten in Form von Verpfändung von Aktien. Der geplante Rettungsschirm soll zudem auch nur temporär zur Verfügung stehen.

In der langen Frist plant der Bund zudem eine Reihe von weiteren Massnahmen, um die Strombranche widerstandsfähiger zu machen.

Zwar ermöglichen die hohen Preise an den Energiemärkten den Stromunternehmen bessere Handelsmargen. Gleichzeitig müssen die Unternehmen aber bei den Energiebörsen höhere Sicherheitsleistungen für die Stromproduktion hinterlegen. Das dient zur Absicherung, damit die Bezüger bei einem allfälligen Ausfall des Stromlieferanten ihren Strom zu den höheren Preisen am Markt einkaufen könnten.

Im Dezember wurden die Ausschläge extrem: Die Strompreise schossen innert weniger Tage um das Acht- bis Neunfache in die Höhe. Der Stromkonzern Alpiq - der nach Umsatz zweitgrösste Stromversorger der Schweiz - ersuchte wegen des drohenden Liquiditätsengpasses den Bund vorsorglich um finanzielle Hilfe. Später zog er das Gesuch wieder zurück, weil die Aktionäre dem Konzern eine temporäre Liquidität zur Verfügung stellten.

Angst vor Kettenreaktion

Seither gibt es ein ständiges Auf und Ab auf den Strommärkten. Mitte Januar warnte der Bundesrat vor der weiterhin reellen Gefahr eines Konkurses von Stromkonzernen. "Im Vordergrund steht deshalb die Frage, wie wir sicherstellen können, dass beim Konkurs eines Stromunternehmens weiter Strom produziert wird", hiess es damals. Energieministerin Simonetta Sommaruga setzte eine Taskforce ein.

Die Unsicherheiten haben mit dem Krieg in der Ukraine "in einem bisher nicht bekannten Ausmass zugenommen", wie Sommaruga am Donnerstag vor den Medien in Bern sagte. Die Lage würde sich laut Experten beispielsweise dann weiter verschärfen, wenn russische Gaslieferungen ausfallen würden.

Ein unkontrollierter Ausfall eines grösseren Unternehmens könne die Versorgungssicherheit der Schweiz gefährden und eine Kettenreaktion nach sich ziehen, sagte Sommaruga. Eine solche würde "das ganze System an den Rand eines Einsturzes" bringen. "Die Situation ist ernst."

Um das zu vermeiden und die Gewährleistung der Stromversorgung in der Schweiz auch bei einer weiteren Verschärfung der Situation sicherzustellen, arbeitet der Bundesrat derzeit an einem Rettungsschirm für systemkritische Stromunternehmen. "Wir wollen für den Worst Case vorbereitet sein, der hoffentlich nie eintritt", sagte Sommaruga.

Staatshilfe als Ultima Ratio

Das geplante Gesetz soll nach den Plänen des Bundesrats im kommenden Sommer vom Parlament dringlich beraten und beschlossen werden. Gelten soll es dann für vier Jahre, wie Sommaruga sagte. Aktuell vertieft der Bund die Gespräche mit den wichtigsten Stromunternehmen im Hinblick auf eine kurze Vernehmlassung.

Das dringliche Gesetz fusst auf Subsidiarität. Zuerst müssten die systemkritischen Unternehmen selber alles tun, um ihre Liquidität sicherzustellen, zusammen mit Eignern und Aktionären, sagte Sommaruga. Vorgesehen seien Bürgschaften oder Direktdarlehen vom Bund. Diese seien aber an strikte Auflagen geknüpft und "entsprechend unattraktiv". Es gelte, Fehlanreize zu verhindern.

Der Bund plant Transparenzvorschriften, eine marktgerechte Verzinsung, ein Dividendenausschüttungsverbot sowie Sicherheiten in Form von Verpfändung von Aktien. Der geplante Rettungsschirm soll zudem auch nur temporär zur Verfügung stehen.

Fünf bis zehn Milliarden Franken

Noch ist unklar, welchen genauen Umfang der Schutzschirm für die systemkritischen Schweizer Stromunternehmen haben wird. Sommaruga sprach von einem Verpflichtungskredit von fünf bis zehn Milliarden Franken.

Wer im Notfallszenario staatliche Hilfe in Anspruch nehmen kann, ist ebenfalls noch offen. Laut Urs Meister, Geschäftsführer der Eidgenössischen Elektrizitätskommission (Elcom), wird das Gesetz "nur ganz wenige Unternehmen" betreffen. Es gehe um grössere Unternehmen, die international stark vernetzt seien.

Sabine D’Amelio-Favez, Direktorin der Eidgenössischen Finanzverwaltung (EFV), hielt fest, dass die Schweizer Stromkonzerne heute "sehr gut aufgestellt" seien und über genügend Liquidität verfügten. Die Konzerne hätten sich bereits an die ausserordentliche Lage angepasst. Nichtsdestotrotz wären sie "im ganz, ganz spezifischen Worst-Case-Szenario" auf einen Schutzschirm angewiesen.

In der langen Frist plant der Bund zudem eine Reihe von weiteren Massnahmen, um die Strombranche widerstandsfähiger zu machen. Sommaruga nannte Transparenzvorgaben, um Liquiditätsengpässe zu verhindern. Geprüft würden zudem Eigenkapital- und Liquiditätsvorgaben für Stromversorger, so wie sie für Banken gälten.