Angesichts wachsender wirtschaftlicher Unsicherheiten auch durch den Ukraine-Krieg hat Chinas Regierung für dieses Jahr mit «rund 5,5 Prozent» das niedrigste Wachstumsziel seit drei Jahrzehnten vorgegeben. Dennoch sollen die Militärausgaben mit Blick auf die verschärften Spannungen mit Taiwan, den USA und asiatischen Nachbarn überdurchschnittlich stark um 7,1 Prozent wachsen.
In einer Rede zum Auftakt der Jahrestagung des Volkskongresses am Samstag in der Grossen Halle des Volkes in Peking stellte Regierungschef Li Keqiang die Nation auf ein wirtschaftlich schwieriges Jahr ein.
Die zweitgrösste Volkswirtschaft stehe unter dem «dreifachen Druck» schrumpfender Nachfrage, gestörter Lieferketten und sich abschwächender Erwartungen, begründete der Premier die Senkung der Wachstumsvorgabe. Auch fehle es der weltweiten wirtschaftlichen Erholung an Antrieb. Selbst das niedrigere Ziel zu erreichen, «erfordert harte Anstrengungen», sagte Li Keqiang in seinem Rechenschaftsbericht vor den knapp 3000 Delegierten.
Provokation aus Nordkorea
Der Auftakt der jährlichen Parlamentssitzung wurde von einem neuen Raketentest Nordkoreas überschattet, das nach Angaben aus Japan und Südkorea mutmasslich eine ballistische Rakete abgefeuert hatte. Dass Nordkoreas Machthaber Kim Jong Un ausgerechnet den Beginn der Jahrestagung in Peking für seine neue militärische Provokation ausgesucht hat, dürfte bei seinem grossen Nachbarn für Irritationen sorgen. UN-Resolutionen untersagen Nordkorea die Erprobung solcher Raketen, die auch Atomsprengköpfe tragen könnten.
In seiner Rede ging der Premier nicht auf den nordkoreanischen Raketentest ein. Auch erwähnte Li Keqiang die russische Invasion in die Ukraine mit keinem Wort. Ohnehin enthielt seine Rede kaum aussenpolitische Aspekte, ausser dass China an einem «neuen Typ internationaler Beziehungen arbeiten» wolle.
China hat die russische Invasion in die Ukraine nicht verurteilt und gibt Russlands Präsident Wladimir Putin auch Rückendeckung, indem es die USA und die Osterweiterung der Nato kritisiert.
Die Taiwan-Frage
Die starke Steigerung der Militärausgaben findet angesichts der Drohungen der kommunistischen Führung gegenüber dem demokratischen Taiwan und der Territorialstreitigkeiten mit Nachbarn im Süd- und Ostchinesischen Meer besondere Aufmerksamkeit. Li Keqiang bekräftigte den Willen Chinas zu einer «Wiedervereinigung» mit Taiwan. Er wandte sich gegen «separatistische Aktivitäten» mit dem Ziel einer «Unabhängigkeit Taiwans» und gegen ausländische Einmischung.
Die Spannungen um Taiwan lösen vor dem Hintergrund der russischen Invasion in die Ukraine neue Besorgnisse aus. Peking betrachtet das freiheitliche Taiwan nur als Teil der Volksrepublik und droht mit einer Eroberung. Die USA haben sich der Verteidigungsfähigkeit Taiwans verpflichtet und liefern Waffen.
Frühere US-Regierungen haben offengelassen, ob sie der Insel im Falle eines Angriffs auch militärisch zu Hilfe kommen würden. Doch sagte US-Präsident Joe Biden im Oktober, die USA hätten die «Verpflichtung», dies zu tun. (sda/ise)