Um die Stromkrise zu bewältigen, müssen wir die Marktmechanik verstehen: Strom ist kaum lagerbar, für die Netzstabilität müssen Stromeinspeisung und-entnahme immer im Gleichgewicht sein, und es existiert kein Preismechanismus, der den Gesamtmarkt automatisch im Gleichgewicht hält. Deshalb verkaufen die Stromgrossproduzenten ohne eigene Kleinkunden und Kleinkundinnen wie die Axpo einen guten Teil ihres Stroms auf mehrere Jahre im Voraus und sichern sich so gegen Preisschwankungen ab.
Solche Termingeschäfte funktionieren nur, wenn die Kundschaft die Garantie hat, dass die Vereinbarungen eingehalten werden. Um das zu garantieren, müssen die Lieferanten grosse finanzielle Sicherheiten hinterlegen. Diese sind umso grösser, je stärker die aktuellen Preise von den vereinbarten Preisen abweichen. Die Lieferanten müssen also finanzielle Sicherheiten nachschiessen, wenn der Strompreis steigt.
Dieser Mechanismus wurde Axpo zum Verhängnis, weil die kaum erwartbaren extremen Preissteigerungen nach riesigen Garantiesummen verlangen – obwohl Axpo dereinst den Strom problemlos liefern kann, weil sie ihn ja selbst herstellt. Entsprechend ist es vertretbar, dass der Bund jetzt mit Liquiditätsgarantien hilft – natürlich gegen einen angemessenen Preis.
Ein lukrativer Tausch für die Haushalte
Wie aber sollen die Verbraucherinnen und Verbraucher im regulierten Bereich zum Stromsparen animiert werden, um so einen Blackout zu verhindern? Die Verteiler müssen die Preise für ein Jahr kostenbasiert festlegen, was wirksame Sparanreize auszuschliessen scheint. Tatsächlich gäbe es trotzdem eine einfache Anreizlösung.
In der Kolumne «Freie Sicht» schreiben neben Reiner Eichenberger, Professor für Finanz- und Wirtschaftspolitik an der Universität Freiburg, auch Isabel Martínez, Ökonomin an der Konjunkturforschungsstelle (KOF) der ETH Zürich, Ökonom Klaus Wellershoff von Wellershoff & Partners sowie der «Handelszeitung»-Co-Chefredaktor Markus Diem Meier.
Die Preise für Winterstrom liegen jetzt im europäischen Grosshandel weit über den Konsumentenpreisen – teils um das Zehnfache oder mehr. Damit liegt das grosse Geschäft auf der Hand. Die Versorger könnten den Kunden und Kundinnen ein Superangebot wie zum Beispiel folgendes machen: «Wenn Sie 20 Prozent gegenüber den letzten 5 Jahren sparen, erhalten Sie die restlichen 80 Prozent gratis. Wir verkaufen dann die 20 eingesparten Prozente zum vielfachen Preis auf dem europäischen Markt und machen so einen riesigen Gewinn, der Ihren Gratisstrom locker finanziert.»
Wetten, dass bei diesem Angebot sehr viele Haushalte ganz freiwillig und mit viel Spass viel Strom sparen würden?
Natürlich sollte es den Verteilern überlassen werden, wie sie ihre Angebote konkret ausgestalten. Damit aber solche Modelle funktionieren, braucht es gesetzliche Grundlagen und vielleicht auch gewisse Garantien des Bundes, da der private Versicherungsmarkt dafür noch nicht entwickelt ist. Diese Rahmenbedingungen schnell zu schaffen, ist eine echte und herausfordernde, aber extrem produktive Staatsaufgabe.
Hat sich die Axpo verspekuliert? Finanziert der Staat private Gewinne? Was ist da eigentlich passiert? Ist der Axpo das Geld ausgegangen? Seit der Aktivierung des Rettungsschirms wird hitzig über die Axpo debattiert.
Unser Redaktor «Michael Heim» hat für Sie die wichtigsten Fragen, die grössten Vorwürfe und sämtliche Antworten zusammengetragen. Lesen Sie die Geschichte hier.