Die Aufhebung des Spielbankenverbots nach der Volksabstimmung von 1993 wurde mit einer Reihe von Auflagen verknüpft. So verpflichtet ein Sozialkonzept die Casinos, eine Spielsperre auszusprechen bei Verdacht, dass jemand überschuldet ist, seinen finanziellen Verpflichtungen nicht nachkommen kann oder mit Einsätzen spielt, die in keinem Verhältnis zu seinem Einkommen und Vermögen stehen.

Im Grand Casino Luzern ist jüngst ein Spieler ins Visier der Sozialkonzeptverantwortlichen geraten, auf den keines dieser Merkmale zutrifft. Der 70-jährige Rentner verfügt nach einem arbeitsreichen Leben über ein Vermögen im siebenstelligen Bereich.

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Er spielt nur um Einsätze von 100, vielleicht auch mal 200 Franken. Ganz im Gegensatz zu unbekümmerten Zockern, die in schneller Folge eine um die andere Tausendernote hervorklauben. Doch der Pensionär musste innert zwei Wochen zu einem Gespräch erscheinen und danach noch seine finanzielle Lage dokumentieren.

Die Prüfung konnte nicht anders als zu seinen Gunsten ausfallen. Danach wäre er im gediegenen Haus an der Seepromenade wieder willkommen gewesen, doch diese Spielstätte wird ihm beim «massvollen Entkapitalisieren», wie er es nennt, keine Hilfe mehr bieten können.

Dem Ärger Luft gemacht

In einem scharfen Brief liess er das Casino wissen, wie sehr ihn die aus heiterem Himmel verfügte Prozedur empört hat. Er habe sich «wie ein Krimineller» behandelt gefühlt.

Man habe sich ja nach Aussagen der Verantwortlichen nur deshalb veranlasst gesehen, ihn in die Mangel zu nehmen, weil er vorübergehend recht häufig aufgetaucht sei. Er habe dies aber nur getan, «um mit kleinen, begrenzten Einsätzen einen Teil meiner Freizeit zu verbringen».

Als «erniedrigend und unsorgfältig» empfand der Spieler, dass ihm der Sozialkonzeptverantwortliche auch nach Einsichtnahme in seine Finanzen am Telefon unterstellt habe, über seine Verhältnisse zu leben. «Wie kommt ein Casinoangestellter dazu, meine Lebensführung zu hinterfragen?» empörte er sich im Brief.

Spielraum genutzt

In der Tat: Die Häufigkeit der Besuche ist im Gesetz nicht als Kriterium aufgeführt. Bei älteren Menschen ist sie auch keine Seltenheit.

Doch die Eidgenössische Spielbankenkommission (ESBK), welche bei Nichteinhaltung des Sozialkonzepts Sanktionen bis zum Entzug der Konzession aussprechen kann, verweist darauf, dass die Casinos bei den im Gesetz ebenfalls festgehaltenen Früherkennungsmerkmalen einen Ermessensspielraum haben. Und diesen haben die Luzerner genutzt.

Für die ESBK ist es nicht verkehrt, wenn einmal zu viel genau hingeschaut wird als zu wenig. 2016 belegte sie ein Casino mit einer Busse, weil es bei einem gefährdeten Spieler zu spät eingriff. Der Fall ging bis vor Bundesverwaltungsgericht, wo die ESBK grundsätzlich Recht bekam; die Busse wurde jedoch reduziert.

Der Direktor des Grand Casino Luzern, Wolfgang Bliem, teilte auf Anfrage mit, die Casinos seien gesetzlich verpflichtet, «umfangreiche und detaillierte Abklärungen vorzunehmen, wenn Anzeichen bestehen, dass ein Spieler über seine Verhältnisse spielen könnte». Der Gesetzgeber habe die Schwelle zum Verhängen einer Spielsperre bewusst niedrig angesetzt.

Strenge Vorgaben

Die Schweiz habe im weltweiten Vergleich eine der strengsten Gesetzgebungen bezüglich Spielerschutz, findet Bliem. Es sei nachvollziehbar, dass die gesetzlich geforderten Abklärungen als Eingriff in persönliche Rechte empfunden werden könnten.

Es gibt Skeptiker, die der Selbstkontrolle der Casinos nicht trauen. Ein Kommentator schrieb kürzlich, das sei so, «als würde man Geschwindigkeitslimiten einem Raser überlassen». Der Druck der ESBK, die regelmässig Inspektionen durchführt, sorgt aber offensichtlich dafür, dass die Casinos der «Raserei» am Spieltisch Einhalt gebieten, auch mal im Übereifer.

(sda/tdr)