Hanno Berger, Zentralfigur des Cum-Ex Skandals in Deutschland, muss nach Ansicht des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main mit einer Haftstrafe von bis zu 15 Jahren rechnen. Zudem müsse sein Vermögen bis zur einer Höhe von 113 Millionen Euro eingefroren werden, schreiben die Richter in einer scharf formulierten Entscheidung.

In den bisher unveröffentlichten Gründen des Beschlusses, mit dem das Gericht Anfang März Bergers Beschwerde gegen einen Haftbefehl des Landgerichts Wiesbaden abschmetterte (AZ: 2 Ws 132/20), fordern die Richter die Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt am Main ostentativ auf, Bergers Auslieferung aus der Schweiz zu betreiben. Mit Bergers Geschäftsmodell gehen sie hart ins Gericht.

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«Nach den akribisch von der Generalstaatsanwaltschaft zusammengetragenen Beweismitteln besteht kein Raum für Zweifel, dass das gesamte von dem Angeklagten entwickelte und durchgeführte Geschäftsmodell von Anfang an auf Betrügereien angelegt und ausgerichtet war», heisst es in dem Beschluss, den Bloomberg News einsehen konnte.

Beweislage gegen Berger «erdrückend»

Die ungewöhnlich harten Formulierungen kommen für Berger zur Unzeit. Das Landgericht Wiesbaden soll am kommenden Donnerstag die Hauptverhandlung gegen ihn und zwei Mitbeschuldigte in dem Fall eröffnen, dem eine Anklage der Generalstaatsanwaltschaft aus dem Jahre 2017 zugrundeliegt. Die Frankfurter Richter schreiben jetzt, die Beweislage gegen Berger sei «erdrückend».

In einer Stellungnahme gegenüber Bloomberg News erklärte Bergers Anwalt Kai Schaffelhuber, der Beschluss des Oberlandesgerichts stelle «einen Tiefpunkt bundesrepublikanischer Rechtskultur» dar.

Die Richter hätten sich mit entscheidenen Fragen nicht befasst und einschlägige Urteile der Finanzgerichte fehlinterpretiert. Stattdessen bemühten sie eine «nicht näher begründete und auch nicht lege artis begründbare Zauberformel», um aus der Verwendung rechtlich zulässiger Finanzinstrumente eine Straftat zu konstruieren. Ein Vermögensarrest scheide schon deshalb aus, weil die in die Transaktionen involvierte Bank die seinerzeit erstattete Kapitalertragssteuer bereits zurückbezahlt habe, so Schaffelhuber.

Keine Ausreise aus gesundheitlichen Gründen 

Allerdings rechnet derzeit niemand damit, dass Berger sich dem Verfahren in Wiesbaden stellen wird. Der Siebzigjährige hatte dem Gericht bereits mitgeteilt, er sei aus gesundheitlichen Gründen nicht in der Lage, zum Prozess aus seinem Heimatort Zuoz in der Schweiz anzureisen.

Berger hatte 2012 seinen Wohnsitz in die Schweiz verlegt. Laut der Frankfurter Anklage meldete er seinen deutschen Wohnsitz ab, nachdem die Generalstaatsanwaltschaft Ende 2012 seine damalige Frankfurter Kanzlei durchsucht hatte. Auch die Staatsanwaltschaft Köln hat den Steueranwalt im vergangenen Jahr angeklagt und sprach dabei von einem Steuerschaden von 278 Millionen Euro.

Cum-Ex-Geschäfte setzten auf Aktien-Leerverkäufe kurz vor dem Dividendenstichtag. Da die Kapitalertragssteuer von den Unternehmen vor Auszahlung der Dividenden abgeführt wurde, erhielten Aktionäre die Steuerbescheinigung von ihren Depotbanken, sobald der Nettobetrag eingegangen war. Bei Leerverkäufen wurden identische Nettobeträge verbucht, was dazu führen konnte, dass Depotbanken mehr Steuerzahlungen bescheinigten, als tatsächlich abgeführt wurden. Deutschland änderte im Jahre 2012 die Besteuerungspraxis, um dem einen Riegel vorzuschieben. Inzwischen ermitteln deutsche Staatsanwaltschaften gegen mehr als 1000 Beschuldigte.

Gericht will auch Vermögen von Angehörigen einfrieren

Bei den 113 Millionen Euro handelt es sich um den Steuerschaden, um den es im Wiesbadener Verfahren geht. Sollte Berger verurteilt werden, komme es in Betracht, diesen Betrag einzuziehen, so das Oberlandesgericht. Daher müsse jetzt ein Vermögensarrest angeordnet werden.

Die Richtern fordern sogar, auch Vermögen seiner Angehörigen einzufrieren, da es Anhaltspunkte dafür gebe, dass Berger «Teile der Tatbeute auf Angehörige übertragen und verschoben» habe, «zumal nach den vorliegenden Ermittlungen der Angeklagte und seine Angehörigen über keine grösseren Vermögenswerte verfügen, die nicht erkennbar aus inkriminierten Handlungen» herrührten.

(bloomberg/gku)