Die Londoner Börse will für 27 Milliarden Dollar den Finanzdatenanbieter Refinitiv übernehmen und damit unabhängiger vom schwankungsanfälligen Handelsgeschäft werden. Die Verhandlungen dazu seien im Gange, teilte die London Stock Exchange (LSE) am Samstag mit. Den Kauf, der auch die Refinitiv-Schulden einschliesse, wolle sie mit neuen LSE-Aktien abwickeln.

Der Vorstoss durchkreuzt auch die Pläne der Deutschen Börse für einen Kauf einer Refinitiv-Devisenhandelsplattform. Sie geht nun nicht mehr von einem erfolgreichen Abschluss ihrer seit Monaten laufenden Verhandlungen aus.

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Ex-Sparte von Thomson Reuters

Refinitiv ist die ehemalige Finanzmarktsparte des kanadischen Informationskonzerns Thomson Reuters, die 2018 mehrheitlich vom US-Investor Blackstone übernommen worden war. Basierend auf der damaligen Bewertung von 20 Milliarden Dollar würde Blackstone einem Insider zufolge bei einem Zustandekommen des Geschäfts seine ursprüngliche Investition in etwa verdoppeln.

Eine Refinitiv-Übernahme würde die Position der LSE als Informationsdienstleister erheblich stärken. Dieses Geschäft hat der Börsenbetreiber vorangetrieben, weil es konstantere Einnahmen verspricht als das Handelsgeschäft. Zudem könnte sich das Londoner Unternehmen besser gegen die Folgen eines ungeregelten Austritts der Briten aus der EU wappnen.

Kaufpreis umfasst einen Schuldenberg

Ein Kauf soll auch die Refinitiv-Schulden von zuletzt rund zwölf Milliarden Dollar umfassen, die aus der grösstenteils schuldenfinanzierten Übernahme durch Blackstone resultieren. Einem Insider zufolge könnte schon in der neuen Woche eine Einigung erzielt werden.

Der Verkauf der Thomson-Reuters-Finanzmarktsparte an Blackstone wurde im Oktober abgeschlossen. 45 Prozent des in Refinitiv umfirmierten Geschäfts sind noch im Besitz des Daten- und Nachrichtenanbieters Thomson Reuters, dem Mutterkonzern der Nachrichtenagentur Reuters. Refinitiv hat nach eigenen Angaben mehr als 40’000 Kunden in über 190 Ländern.

Bisherige Aktionäre bleiben an Bord

Den Plänen der Londoner Börse zufolge würden die bisherige an Refinitiv beteiligten Unternehmen zu LSE-Aktionären mit einem Anteil von rund 37 Prozent und Stimmrechten von unter 30 Prozent. Thomson Reuters bestätigte die Verhandlungen. Sollte es zu einem erfolgreichen Abschluss kommen, würde man einen Anteil von 15 Prozent an der LSE besitzen, erklärte der Konzern.

Der Vertrag über die Nachrichten-Lieferung an Refinitiv mit einer Laufzeit von 30 Jahren bliebe auch bei einem Eigentümerwechsel gültig. Refinitiv war zunächst nicht für eine Stellungnahme zu erreichen. Blackstone wollte ich nicht äussern. Die Thomson-Reuters-Aktien stiegen nach einem ersten Bericht der «Financial Times» über die Pläne am Freitagabend auf ein Rekordhoch.

Refinitiv spaltete Geschäfte ab

Unter der Blackstone-Führung hatte sich Refinitiv bereits von einigen Randgeschäften getrennt. Seit Monaten liefen auch Gespräche über einen Verkauf der Devisenhandelsplattform FXall an die Deutsche Börse. Diese dürften nun hinfällig werden. Der Frankfurter Marktbetreiber erklärte, der Vorstand gehe angesichts der LSE-Pläne nicht mehr von einem erfolgreichen Abschluss seiner Gespräche mit Refinitiv aus.

Auch LSE und die Deutsche Börse waren schon mehrfach an einer Fusion miteinander interessiert. Verhandlungen darüber sind aber immer wieder gescheitert. Die LSE betreibt auch die Mailänder Börse, die italienische Anleihen-Plattform MTS und die Handelsplattform Turquoise. Zudem dominiert sie mit ihrer Tochter LCH das milliardenschwere Geschäft mit der Abwicklung von Euro-Derivaten.

(reuters/mbü)