Die ETH Lausanne (EPFL) ist ein gutes Biotop für Frauen: Ihre Absolventinnen arbeiten nach dem Studium häufiger, besetzen öfter leitende Posten und kassieren höhere Saläre als der Durchschnitt der Schweizer Arbeitnehmerinnen. Doch zur Gleichstellung ist es noch weit.
«Die Alumnae der EPFL machen nach ihrem Abschluss das Beste aus ihren Diplomen», fasst die EPFL die erste Karriere-Umfrage bei ihren früheren Absolventinnen zusammen: 92 Prozent der Gewährsfrauen gaben an, sie hätten mindestens einen bezahlten Job; das liegt gemäss Bundesamt für Statistik (BFS) 9 Prozentpunkte über dem nationalen Durchschnitt.
Das Diplom verhilft zu hohen Salären
32 Prozent der Befragten haben Stellen im höheren Kader. In der Altersklasse der 36- bis 45-Jährigen sind es sogar 48 Prozent - gesamtschweizerisch beträgt der Schnitt in dieser Altersklasse nur 37 Prozent.
Mehr als die Hälfte der Frauen (54 Prozent), die einen Abschluss an der EPFL gemacht haben, verdienen mehr als 100'000 Franken im Jahr. Der mediane Lohn von Schweizer Arbeitnehmerinnen beträgt gemäss BFS 78'143 Franken. Median heisst: Die eine Hälfte verdient mehr, die andere weniger.
Frauen stecken öfter zurück als Männer
Dennoch sei die Chancenungleichheit der Geschlechter nach wie vor stossend, teilte die EPFL am Freitag mit: 41 Prozent der Absolventinnen ohne Kinder und 88 Prozent derjenigen mit klagen über teils drastische Kompromisse, die von Teilzeitarbeit bis zur völligen Aufgabe der Erwerbsarbeit reichen. Im Kontrast dazu mussten nur 61 Prozent der Väter Kompromisse eingehen.
Die Akademikerinnen lassen sich die Mutterschaft dennoch nicht madig machen: 41 Prozent der Befragten zwischen 25 und 54 hatten mindestens ein Kind neben einem Vollzeitjob. Im gesamtschweizerischen Durchschnitt trifft das nur auf 17 Prozent der Arbeitnehmerinnen zu.
Von den Vollzeit beschäftigten EPFL-Absolventinnen arbeitet ein Fünftel in den Bereichen Ausbildung und Forschung, ein Sechstel im Sektor Architektur, Design und Bau, etwa gleich viele im Bereich Gesundheit, 11 Prozent in der Fabrikation und nur 6 Prozent in der Informatik.
Studentinnenquote steigt nur sehr langsam
In den technischen Studiengängen sind auch an der EPFL Frauen selten anzutreffen: Während sie in den Life Sciences mittlerweile beinahe die Hälfte der Studierenden stellen, sind es in den technischen Fächern nur 7 bis 9 Prozent.
Insgesamt waren von den bisher 35'000 EPFL-Absolventen weniger als 7000 weiblichen Geschlechts, also knapp 20 Prozent. Dass die Frauenquote künftig steigt, lässt sich aber daran ablesen, dass dieses Jahr 68 Prozent der Frauen mit EPFL-Abschluss unter 35 Jahre alt waren.
Hohe Zufriedenheit trotz Herabwürdigung
80 Prozent der befragten Frauen gaben an, mit ihrer beruflichen Position zufrieden zu sein. Erschwerend wirke sich allerdings an manchen Arbeitsstellen der unfreundliche Umgang mit dem «schwachen» Geschlecht aus. Das reiche von vorurteilsbehafteten, stereotypischen Bemerkungen bis zu regelrecht unangemessenem Verhalten.
Die Hälfte der Gewährsfrauen glaubt, dass ein unfreundliches Arbeitsumfeld ihre berufliche Entwicklung «etwas» oder «erheblich» behindert hat.
ETH-Rat will Diskriminierung verringern
Die letzte Woche vom ETH-Rat beschlossenen neue Gender-Strategie soll es richten: Die Sensibilisierung gegenüber geschlechtsbezogenen Vorurteilen und Geschlechts-Stereotypen sowie Massnahmen gegen unangemessenes Verhalten seien ein wichtiger Teil dieser Strategie, hiess es.
Die Gender-Strategie hat zum Ziel, den Frauenanteil in Lehre und Forschung, vor allem in Führungspositionen, zu erhöhen und die Chancengleichheit von Frau und Mann zu befördern.
Ganze Studie: https://bit.ly/3r1Vr90
(sda/mbü)