In der Europäischen Zentralbank (EZB) setzen sich vor allem Währungshüter aus hoch verschuldeten Euro-Ländern einer Studie zufolge für die Fortsetzung der billionenschweren Staatsanleihenkäufe ein. Notenbanker aus Ländern mit niedriger Staatsverschuldung mahnen hingegen eher einen baldigen Ausstieg aus den Kaufprogrammen an, wie eine am Montag veröffentlichte Untersuchung des Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) in Mannheim ergab. Das Ergebnis werfe die Frage auf, wie stark die Geldpolitik bei ihren Entscheidungen in eine Abhängigkeit von der Finanzpolitik geraten ist.
Für ihre Analyse untersuchte das ZEW öffentliche Äusserungen der Notenbank-Gouverneure der Euro-Länder sowie der EZB-Direktorinnen und -Direktoren zum laufenden Notfall-Anleihenkaufprogramm PEPP der EZB. Auf deren Grundlage teilten die Autoren die EZB-Ratsmitglieder in «Falken», «Tauben» und «Neutrale» ein. Als Taube wurde eingestuft, wer öffentlich für die Fortsetzung des PEPP-Programms und der ultralockeren Geldpolitik eintrat. Zu den Falken wurden diejenigen gezählt, die für einen Ausstieg aus dem PEPP-Programm argumentierten oder die Inflationsgefahren hervorhebten. Wer keiner Seite klar zugeordnet werden konnte, wurde als Neutraler gewertet.
Tauben mit Staatsverschuldung von 133 Prozent
Ein Ergebnis der Studie: Der durchschnittliche Schuldenstand der Herkunftsländer der Tauben lag bei 133 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP). Bei den Heimatländern der Falken waren das dagegen nur 71 Prozent. Der Zusammenhang zwischen der Verschuldung des Herkunftslandes der Euro-Wächter und der Position zu den Anleihenkäufen ist laut ZEW ausgeprägter bei den 19 nationalen Notenbank-Gouverneuren als im sechsköpfigen Direktorium der Notenbank.
Das ZEW weist allerdings darauf hin, dass die EZB das individuelle Abstimmungsverhalten im EZB-Rat nicht veröffentlicht. «Trotz dieser Unschärfen deuten unsere Ergebnisse darauf hin, dass die Interessen der nationalen Finanzminister mit am Tisch des EZB-Rats vertreten sind, wenn dort die Entscheidungen über die Geldpolitik fallen», erklärte ZEW-Experte Friedrich Heinemann, einer der Autoren. Das Ergebnis sei daher eine verdächtige Beobachtung aber kein eindeutiger Beweis, hiess es in der Studie.
(reuters/gku)