Vor dem Wechsel an der Spitze der britischen Regierung zeichnen sich weitere Rücktritte ab. Mit Alan Duncan, einem Staatssekretär im Außenministerium, kündigte am Montag ein weiterer hochrangiger Politiker seinen Abschied an. Er verglich den anstehenden EU-Austritt mit einer dunklen Wolke, die über Grossbritannien hänge. Beobachter erwarten weitere Rücktritte bis zum Mittwoch.
An diesem Tag soll der neue Premierminister die Amtsgeschäfte übernehmen, aller Wahrscheinlichkeit nach der frühere Londoner Bürgermeister und Ex-Außenminister Boris Johnson. Er will notfalls auch einen Brexit ohne Austrittsabkommen mit der EU in Kauf nehmen - für die Wirtschaft auf der Insel ein Horror-Szenario.
Duncan ist seit langem ein Kritiker von Johnson, unter dem er in dessen Zeit als Außenminister gearbeitet hat. Er beschrieb Johnson einst als «Zirkusnummer». Am Sonntag hatten bereits Finanzminister Philip Hammond und Justizminister David Gauke ihren Rücktritt für Mittwoch angekündigt. Beide wollen nicht Teil eines Kabinetts von Johnson sein.
Johnson ist Favorit
Die scheidende Premierministerin Theresa May ist mit ihrem mit der EU ausgehandelten Brexit-Vertrag mehrfach im Parlament gescheitert und damit zur tragischen Figur geworden. Einem Sprecher zufolge will sie am Mittwochnachmittag eine Erklärung abgeben und dann bei der Königin ihren Rücktritt einreichen. Ihr Nachfolger wird kurz danach übernehmen.
Um den Vorsitz der Konservativen Partei und damit das Amt des Regierungschefs bewirbt sich auch noch Außenminister Jeremy Hunt. Johnson gilt aber als klarer Favorit. Das Ergebnis soll am Dienstag verkündet werden.
Eine Sprecherin der EU-Kommission sagte, die Brüsseler Behörde werde unabhängig von der Person eine Arbeitsbeziehung zum May-Nachfolger aufbauen. Zuletzt hatten Spitzenvertreter der EU aber stets betont, den ausgehandelten Pakt nicht noch einmal aufschnüren zu wollen.
Brexit an Halloween
Johnson will Grossbritannien zu Halloween, am 31. Oktober, aus der Europäischen Union führen - «komme, was wolle». Er drohte Brüssel wiederholt mit einem ungeordneten Austritt. Das hätte jedoch grosse negative Folgen für die Wirtschaft und viele andere Lebensbereiche.
Am Dienstag wird Mays Nachfolger in einer ersten Rede möglicherweise Details seiner Brexit-Pläne darlegen. Am Mittwoch folgt dann die Amtsübergabe. May wird sich mittags ein letztes Mal den Fragen der Abgeordneten stellen. Anschliessend wird sie vor dem Regierungssitz Downing Street eine Abschiedsrede halten und dann bei Königin Elizabeth II. im Buckingham-Palast ihren Rücktritt einreichen.
Die 93-jährige Queen wird direkt danach den neuen Premierminister ernennen und ihn mit der Regierungsbildung beauftragen. Auch von ihm wird dann eine Rede vor seinem Amtssitz erwartet.
May war dreimal mit ihrem mit Brüssel ausgehandelten Austrittsabkommen im Parlament gescheitert. Die Briten hatten sich vor etwa drei Jahren, am 23. Juni 2016, in einem Referendum mit knapper Mehrheit für den EU-Austritt ausgesprochen.
(reuters/awp/mlo)