Hilti ist kein einzigartiges Unternehmen, aber eines von einer Sorte, die es nicht oft gibt. Es ist in Privatbesitz, aber doch fast so transparent wie eine kotierte Firma. Es ist ein Familienunternehmen, das aber vollständig einer Stiftung gehört und in dem seit Jahren Externe in Geschäftsleitung und Verwaltungsrat den Ton angeben. Es hat es als Business-to-Business-Unternehmen geschafft, auch bei Nicht-Profis mit dem roten Koffer für seine Werkzeuge omnipräsent zu sein. Es kommt aus dem kleinen Land Liechtenstein und ist doch ein Grosskonzern mit 5,3 Milliarden Franken Umsatz. Und während in den letzten Jahren viele über Dinge wie Software as a Service nachgedacht haben, praktiziert Hilti Werkzeuge as a Service seit Jahren.
Vor allem aber ist Hilti ein Unternehmen, das langfristig denkt. Weder in Quartalen noch in Jahren, eher in Generationen. Und jetzt kündigt Hilti einen Generationenwechsel an. Nicht von jetzt auf gleich, eben nicht. Sondern für 2022 und 2023.
Die auffälligste Personalie dabei: Michèle Frey-Hilti tritt im April 2022 in den achtköpfigen Verwaltungsrat von Hilti ein. Sie übernimmt die wichtige Rolle der Vertreterin der Eigentümerfamilie.
Frey-Hilti will keine «Kopie» ihres Vaters sein
Die 34-jährige Frey-Hilti ist die Enkelin des Firmengründers Martin Hilti und die Tochter von Ehrenpräsident Michael Hilti. Sie arbeitet seit 2012 in diversen Funktionen beim Unternehmen und war in der Vergangenheit als Produktmanagerin und Kundenbetreuerin im Hilti-roten Outfit auf Baustellen unterwegs. Ausserdem bekleidet sie diverse Funktionen in den philanthropischen Stiftungen der Familie und anderen karitativen Organisationen Liechtensteins. Ebenso ist sie engagiert bei Swisscontact, der Schweizer Stiftung für technische Entwicklungszusammenarbeit.
Frey-Hilti zeigte sich bereits vor fünf Jahren eng verbunden mit der Familienfirma. Sie habe, gab sie damals, als ihr Vater seinen Rückzug aus dem Verwaltungsrat ankündigte, «bei Hilti noch nie jemanden getroffen, mit dem ich nach der Arbeit kein Bier trinken gehen würde». Für sie sei ihr Vater, so Frey-Hilti damals, «ein Vorbild». Er habe sie aber gelehrt, «dass jeder seine eigene Linie finden sollte». Eine Kopie sei immer schlechter als das Original.
Michael Hilti hat seine Tochter vor fünf Jahren als noch nicht reif genug eingestuft für die Aufgabe, die sie nun übernimmt. Sie sei noch zu jung für den Verwaltungsrat, sagte er damals, sie verfüge nicht über den notwendigen Leistungsausweis. «Bei Hilti ist Kapitalbesitz nicht gleich Führungsanspruch», befand er. Leistung sei wichtiger als Blutsbande. Es gehe darum, so der Patron, «Lebenswerke zu sichern», Langfristigkeit stehe über allem. Getreu dem Firmen-Claim «Outperform. Outlast». Kurz: Frey-Hilti hat sich den Sitz im Verwaltungsrat nicht beim Vater erbeten, sondern selbst erarbeitet. Nun gibt sie dem Konzern, der ihren Namen trägt, ein Gesicht. Ein frisches Gesicht.
Maximal 15 Jahre wird Frey-Hilti im Verwaltungsrat an der Zukunft des Familienunternehmens mitarbeiten können. Dann ist bei Hilti für jeden und jede Schluss, auch für eine Hilti.
Neben der Personalie Frey-Hilti wird es bei Hilti an diversen Schlüsselstellen zu Veränderungen kommen. Ab 2023 wird der aktuelle Konzernchef Christoph Loos das Präsidium im Verwaltungsrat übernehmen und in dieser Rolle Heinrich Fischer ersetzen.
Loos’ Nachfolger als Firmenchef ist Jahangir Doongaji. Er ist seit über 20 Jahren bei Hilti und sitzt seit 2014 in der Konzernleitung. Zuvor war er unter anderem der Kundendienstleiter bei der Schweizer Tochter von Hilti.
Doongaji übernimmt ein Unternehmen, das im letzten Jahr zwar unter der Krise gelitten hat, aber profitabel und gesund ist. Im Vergleich zu 2019 sank der Hilti-Umsatz um knapp 10 Prozent von 5,9 auf 5,3 Milliarden Franken. Auch der Reingewinn sank um 10 Prozent von 591 Millionen auf 531 Millionen Franken. Die Ausgaben für Forschung und Entwicklung allerdings hat Hilti bei rund 360 Millionen praktisch auf dem gleichen Niveau wie 2019 gehalten. Das Unternehmen hat 74 neue Produkte respektive Services lanciert – unter anderem einen Roboter, der selbstständig Löcher für Decken-Installationen bohrt und sich selbst auf der Baustelle orientiert (siehe Video unten).
Zwei milliardenschwere Familien
Michèle Frey-Hilti ist in Liechtenstein bestens vernetzt und pflegt auch Umgang mit der Fürstenfamilie. Aber auch ihre Bande zur Schweiz sind eng. Im Sommer 2018 hat sie Lorenz Frey-Hilti geheiratet. Er ist der Spross von SVP-Urgestein und Autohändler Walter Frey. Lorenz Frey-Hilti ist Rennfahrer und selbst im väterlichen Unternehmen aktiv. In der Pandemie hat er sich stark für die individuelle Mobilität mit Auto eingesetzt.
Das Paar Frey-Hilti nimmt gesellschaftliche Verantwortung wahr. Sei es an Wohltätigkeitsveranstaltungen wie dem Rotkreuz-Ball (siehe Bild unten) oder auch in der Bewältigung der Pandemie. So hat Michèle Frey-Hilti als Geschäftsführerin der Hilti-Familienstiftung im vergangenen April dem Gewerbe in Liechtenstein eine Million Schutzmasken gespendet für die Zeit nach der Öffnung.