Vor drei Jahren hatte der NDB-Lagebericht festgehalten, dass die Entwicklung beim gewalttätigen Extremismus äusserst bedenklich sei. Verteidigungsministerin Viola Amherd zog damals in Betracht, potenziell gewalttätige Extremisten abhören zu lassen. Ursprünglich war eine Vernehmlassungsvorlage für Sommer 2020 geplant.

Nun handelt der Bundesrat zwei Jahre später. Er plant schärfere Instrumente für die Bekämpfung von gewalttätigem Extremismus. Es geht um zusätzliche Massnahmen zur Früherkennung und Verhinderung, wie es in einer Mitteilung vom Donnerstag heisst.

Partner-Inhalte
 
 
 
 
 
 

Konkret sollen die genehmigungspflichtigen Massnahmen neu auch zur Aufklärung von schweren Bedrohungen angewendet werden können, die von gewalttätig-extremistischen Aktivitäten ausgehen. Davon betroffen sein können gemäss dem Vernehmlassungsentwurf "Organisationen und Personen, welche die demokratischen und rechtsstaatlichen Grundlagen ablehnen und zum Erreichen ihrer Ziele Gewalttaten befürworten, fördern oder verüben".

Folge des Fichenskandals

Mit den Anpassungen reagiere der Bundesrat auf die seit der Inkraftsetzung des Nachrichtendienstgesetzes gemachten Erfahrungen sowie auf die Entwicklung der Bedrohungslage der vergangenen Jahre, schreibt der Bundesrat. Laut früheren Angaben des Bundesrats ist beim gewalttätigen Linksextremismus eine Verschärfung erkennbar. Beim Rechtsextremismus besteht mittelfristig eine erhöhte Wahrscheinlichkeit für einen Anschlag durch einen entsprechend inspirierten Einzeltäter.

Das Abhören von Telefongesprächen und das Eindringen in Computer ist dem Nachrichtendienst erst seit September 2017 erlaubt. Diese genehmigungspflichtigen Massnahmen darf er heute aber nicht im Bereich des gewalttätigen Extremismus anwenden.

Dass die Möglichkeiten des Nachrichtendienstes bei Extremismus heute eingeschränkt sind, ist eine Folge des Fichenskandals, der Ende der 1980er-Jahre die Schweiz erschütterte. Damals wurde bekannt, dass der Nachrichtendienst Hunderttausende aufgrund ihrer politischen Gesinnung überwachte.

Finanzflüsse analysieren

Eine weitere Neuerung betrifft die Abklärungen über finanzielle Transaktionen, zum Beispiel bei der Finanzierung von Terrorismus oder Spionagenetzwerken. Der NDB hat heute keine Möglichkeit, Informationen von Finanzintermediären über die Finanzierung von sicherheitsrelevanten Personen oder Gruppierungen zu erhalten.

Die Gesetzesrevision sieht dies neu vor: Bei schweren Bedrohungen der Sicherheit der Schweiz kann der NDB künftig auch Finanzflüsse aufklären, indem er bei Finanzintermediären Auskünfte zu Transaktionen anfordern kann. Infrage kommt dies gemäss Mitteilung beispielsweise bei kommerziellen Unternehmen, ideellen Organisationen oder religiösen Einrichtungen, über die begründete Anhaltspunkte vorliegen, dass sie an der Finanzierung von terroristischen, nachrichtendienstlichen oder gewalttätig-extremistischen Umtrieben beteiligt sind.

Neue Regeln für Datenbearbeitung

In die geplante Revision des Nachrichtendienstgesetzes flossen auch Forderungen der Aufsichtsbehörden zu den NDB-Datensammlungen ein. Unter anderem die Aufsichtsbehörde über den Nachrichtendienst des Bundes (AB-ND) ortete in ihrem zweiten Tätigkeitsbericht im März 2020 Verbesserungspotenzial in der Datenbearbeitung. Heute würden gelegentlich zu viele Daten zu lange aufbewahrt oder Berichte unsorgfältig verfasst. Der NDB müsse transparent erklären können, welche Informationen zu Personen weshalb in seinen Datenbanken gesammelt und verwendet würden. Das sei heute zu wenig der Fall.

Das will der Bundesrat ändern. Die Vernehmlassungsvorlage sei beim Datenschutz erheblich fortschrittlicher, heisst es im erläuternden Bericht. "Sie ist gegenüber der jetzigen Regelung technologieneutral, prozessorientiert und deutlich weniger komplex."

Das Risiko, dass der NDB über nach Gesetz nicht relevante Personen Daten bearbeitet, werde durch die Einführung einer detaillierten Eingangsprüfung entschärft. Dabei würden sämtliche Inhalte anonymisiert, welche entweder keinen Aufgabenbezug aufweisen oder unter die Datenbearbeitungsschranke fallen.

Der NDB hat zudem neu die Pflicht, die kantonalen Vollzugsbehörden zu informieren, wenn diese ihm Berichte zukommen lassen, die Daten aufweisen, die gegen die Datenbearbeitungsschranke verstossen. Diese Daten sind sowohl beim NDB als auch bei den kantonalen Vollzugsbehörden zu vernichten oder zu anonymisieren.

Aufsicht neu geregelt

Weiterer Schwerpunkt der Revision des Nachrichtendienstgesetzes ist die Übertragung der Aufgaben der Unabhängigen Kontrollinstanz für die Funk- und Kabelaufklärung (UKI) an die AB-ND. Die Übertragung der Aufgaben führt laut dem Bundesrat zu einer umfassenderen Einbettung der Kontrolle der Funk- und Kabelaufklärung in die Aufsichtstätigkeiten.

Die Vernehmlassung dauert bis am 9. September 2022. Über die Gesetzesänderungen wird später das Parlament und je nachdem das Volk zu befinden haben.