Strom-Endverbraucher mit einem grossen Jahresverbrauch und solche, die einen besonderen Bedarf haben, sollen ihren Messdienstleister künftig selbst wählen können. Der Nationalrat hat im Rahmen der Beratungen zum Energie-Mantelerlass für eine Liberalisierung gestimmt.
Die grosse Kammer folgte am Mittwoch mit 100 zu 91 Stimmen ihrer vorberatenden Kommission. Mit dem Beschluss möchte der Nationalrat die verstärkte Digitalisierung der Stromnetze vorantreiben. Eine Liberalisierung des Messwesens helfe dabei, argumentierte eine Mehrheit. Energieminister Albert Rösti unterstützte im Namen des Bundesrats diesen Antrag.
Eine Minderheit war der Ansicht, dass das Messwesen im Monopolbereich der Netzbetreiber verbleiben sollte, da es eng mit dem Netzbetrieb zusammenhänge und entscheidend für die Sicherheit und Stabilität des Netzes sei. Der Ständerat hatte ähnlich argumentiert und im vergangenen Herbst eine Liberalisierung abgelehnt.
Im Vorfeld der Debatte hatte der Verband Schweizerischer Elektrizitätsunternehmen (VSE) vor einer Liberalisierung gewarnt. Diese sei für das Gesamtsystem kostentreibend und völlig unverhältnismässig. Auch für die Umsetzung von lokalen Elektrizitätsgemeinschaften oder neuen innovativen dezentralen Ansätzen brauche es keine Liberalisierung des Messwesens. Es müsse nur der Datenzugang gewährleistet werden.
Der Nationalrat will intelligente Messsysteme - sogenannte Smart Meter - rasch einführen. Für diese Systeme sieht er neue Vorgaben vor: So sollen die Daten in Echtzeit in einem international üblichen Datenformat abgerufen werden können und den Endverbrauchern leicht zugängliche Informationen über ihren Energieverbrauch und Vergleichswerte zur Verfügung gestellt werden.
Streit um Netzverstärkungskosten
Der Nationalrat sprach sich weiter dafür aus, die Bildung von lokalen Elektrizitätsgemeinschaften durch Stromproduzenten und -verbraucher zu ermöglichen. Er entwickelte die vom Ständerat gewählte Lösung weiter. Insbesondere soll für den Bezug von innerhalb der lokalen Gemeinschaften erzeugter Elektrizität ein günstigerer Tarif gelten. Dabei soll jedoch mindestens die Hälfte der üblichen Netzkosten fällig werden.
Diese Massnahmen sollen es laut der Mehrheit erlauben, die Stromnetze intelligenter zu nutzen und das Ausmass der physischen Netzausbauten zu reduzieren. Wo für den Anschluss von Anlagen zur Produktion von erneuerbarer Energie dennoch Netzverstärkungen nötig werden, sollen die entsprechenden Kosten an die Netzkosten angerechnet und damit von allen Verbrauchern im Netzgebiet getragen werden.
SVP und FDP lehnten diese Anrechnung der Kosten an die Netzkosten ab. Laut Manuel Strupler (SVP/TG) wird dabei "eine rote Linie überschritten". Auch Energieminister Rösti warnte vor Mehrkosten. Zudem fördere es den Bau von isolierten Anlagen, was nicht im Sinne einer nachhaltigen Energiestrategie sei.
(sda)