Vor dem Wahljahr und einer möglichen Rezession decken sich Amerikas Firmen noch einmal mit Bargeld ein. Etwa 70 Firmen haben sich nach Daten des Analysehauses Renaissance Capital bei der US-Börsenaufsicht SEC für einen Börsengang registriert.
Zugleich bringen die Firmen mehr Unternehmensanleihen auf den Markt. Allein in der vergangenen Woche waren es nach Informationen des Datenanbieters Dealogic 72 Milliarden Dollar bei den Papieren mit guter Bewertung - so viel wie im gesamten August.
Sie profitieren von den gesunkenen Zinsen: «Die Firmen gehen rein, solange das Kreditfenster weit offen steht, weil man schließlich nie weiß, wann es wieder zugeht», sagte Greg Peters, Chefstratege bei PGIM Fixed Income, der mehr als 809 Milliarden Dollar verwaltet.
Hintergrund ist die Entwicklung am Anleihemarkt: Die Zinsen steigen zwar derzeit wieder, sind aber immer noch im langjährigen Vergleich sehr niedrig. Grund dafür ist der Handelskonflikt zwischen den USA und China, der die weltweite Wirtschaft belastet.
Die Schwäche hat zuletzt auch die USA erreicht; die Industrieproduktion schrumpfte im August zum ersten Mal seit drei Jahren, die Bauausgaben stiegen im Juli kaum noch, das dämpft die Stimmung in den Chefetagen.
Unternehmensanleihen gefragt
Bei Investoren auf der Suche nach Rendite sind Unternehmensanleihen gefragt, zumal die mit einer guten Bewertung. Auch Firmen wie Apple oder Walt Disney, die eigentlich auf Milliarden an Bargeld sitzen, bringen in dieser Situation neue Anleihen auf den Markt.
Noch 2018 war die Kreditaufnahme der Firmen um 24 Prozent gesunken. Das Plus in diesem Jahr dürfte auch bei der US-Notenbank Fed für Gesprächsstoff sorgen, die in der kommenden Woche über ihren geldpolitischen Kurs berät. Am Markt wird mit einer Lockerung gerechnet.
Doch die robuste Kreditnachfrage könnte Fondsmanagern und Analysten zufolge als Anzeichen dafür gewertet werden, dass eine Zinssenkung eigentlich unnötig wäre. "Die Anleihekurse spiegeln eine ausgewachsene Rezession wider, aber ich denke nicht, dass das wirklich auf uns zukommt", sagte Eddy Vataru, Fondsmanager bei Osterweis Total Return.
Eigenkapital gefragt
Doch nicht nur Anleihen sind beliebt - auch Eigenkapital ist bei den Firmen gefragt. Experten gehen davon aus, dass noch in diesem Jahr eine Reihe von Börsengängen ansteht. Dabei spielt die Erwartung eine Rolle, dass im US-Wahljahr 2020 die Börsen stärker schwanken dürften, sagte Kathleen Smith, Chefin bei Renaissance Capital.
Unter anderem stehen der Lebensmittel-Lieferdienst Postmates und das Fitness-Startup Peloton Interactive auf der Liste der Börsenaspiranten. «Der IPO-Markt ist nicht geschlossen, und wird nicht schliessen, bis die Gewinne zu gering sind», sagte sie.
Allerdings steigt nach den enttäuschenden Debuts der Mitfahrdienste Lyft und Uber der Druck auf die Bewertungen bei den Börsengängen. Das könnte die eine oder andere Firma dazu bewegen, jetzt die Aktien auszugeben, weil sie nicht davon ausgingen, dass sich die Lage bald bessere, sagte Kevin Landis, Portfoliomanager bei der Fondsgesellschaft Firsthand Funds.
So könnte der Bürovermieter WeWork bei ihrem Börsengang mit 18 Milliarden Dollar bewertet werden - bei der jüngsten Finanzierungsrunde waren es noch 47 Milliarden Dollar. «Es gibt eine natürliche Tendenz dahin, das Geld mitzunehmen, wenn es verfügbar ist», sagte Landis.
(reuters/mlo)