Weniger als zwei Monate vor den nationalen Wahlen 2019 steigert sich die Grüne Partei gemäss dem SRG-Wahlbarometer erneut. Sie steht gemäss aktueller Wahlabsicht bei einem Wähleranteil von 10,6 Prozent. Dies entspricht einem Plus von 3,4 Prozentpunkten.
Das ist der beste Wert aller Wahlbarometerbefragungen dieser Legislatur und es wäre das beste Wahlresultat, das die Grünen je in der Schweiz erzielt haben. Den bisherigen Bestwert erreichte die Partei bei den Wahlen 2007 mit 9,6 Prozent.
Im Windschatten der Grünen gewinnen auch die Grünliberalen an Fahrt. Sie liegen derzeit bei 6,9 Prozent. Damit übertreffen sie den eigenen Bestwert von 5,4 Prozent (2011) noch etwas deutlicher als die Grünen den ihren.
Die beiden Parteien des grünen Spektrums, die in vielen Fragen unterschiedlich positioniert sind, erreichen zusammen gemäss aktueller Einschätzung einen Wähleranteil von 17,5 Prozent. Auch wenn sich diese nicht in einen Topf werfen lassen, ist es dennoch bemerkenswert, dass sie zusammen mehr Wählende auf sich vereinen als die FDP, die ihren Wähleranteil von 16,7 Prozent gemäss Umfrage halten kann.
CVP bald nur noch fünftgrösste Partei?
Gelingt den Grünen ein derart grosser Sprung nach vorne, dann spricht einiges für einen Wechsel in der Rangfolge der wählerstärksten Parteien. Die CVP weist aktuell ein Minus von 1,4 Prozentpunkten aus. Mit einem Wähleranteil von 10,2 Prozent würde sie zwar die symbolisch wichtige Zehn-Prozent-Hürde schaffen und wäre dennoch hinter den Grünen platziert.
Allerdings beziehen sich die hier abgebildeten Wähleranteile natürlich nur auf den Nationalrat. Mit ihren starken regionalen Hochburgen bleibt die CVP in der zweiten Kammer, dem Ständerat, auch nach den Wahlen voraussichtlich eine Macht, während die Grünen dort weiterhin nur eine marginale Rolle spielen dürften.
SVP stabilisiert Rückgang
Das vorliegende Wahlbarometer ist das vierte in den vergangen zwölf Monaten und das erste, bei dem die Wählerverluste der SVP im Vergleich zu 2015 nicht weiter zugenommen haben. Mit einem Minus von aktuell 2,6 Punkten würde sie einen Wähleranteil von 26,8 Prozent erreichen. Dieser Wert ist vergleichbar mit ihren Ergebnissen von 2003 und 2011. Nur bei den Wahlen von 2007 und 2015 war sie noch besser.
Die SVP befindet sich gegenwärtig nicht in Bestform. Trotz erwarteter Verluste bleibt die Partei die mit Abstand stärkste Kraft und verliert gegenwärtig weniger als ein Zehntel ihrer Wählerschaft.
Anders sind da die Verhältnisse bei der BDP. Sie verliert zwar «nur» 1,5 Prozentpunkte. Diese Zahl entspricht jedoch mehr als einem Drittel ihrer Wählerschaft. Der Negativtrend hat sich letzthin verstärkt. Womöglich hat das schlechte Abschneiden der Mittepartei in den kantonalen Wahlen im Frühjahr das Vertrauen in deren Zukunftsfähigkeit bei einem Teil der Wählenden in Frage gestellt.
Insgesamt zeigt das Wahlbarometer zwei Parteien (GP, GLP) mit einem positiven Trend, der sich weiter verstärkt. Bei zwei Parteien (CVP, BDP) wird der Negativtrend stärker. Dazu kommen zwei Parteien (SP, FDP), die seitwärts tendieren und zugleich als vergleichsweise volatil erscheinen. Die SVP schliesslich hat sich im Minus stabilisiert.
Links gewinnt
Auch im neusten SRG Wahlbarometer zeigt sich insgesamt eine Verlagerung der Kräfteverhältnisse nach links. Weil die Grünen deutlich gewinnen und sich die Sozialdemokraten dennoch auf 18,7 Prozent halten können, legt das rotgrüne Lager aktuell 3,3 Punkte zu. SVP und FDP, die beiden Parteien rechts der Mitte, verlieren demgegenüber 2,3 Punkte.
Eine solche Verschiebung der Kräfteverhältnisse um wenige Prozentpunkte wäre in Parlamentswahlen im europäischen Umland Ausdruck von Stabilität. In der Schweiz kommen sie einem deutlichen Linksrutsch gleich.
Mitte sortiert sich neu
Die Mitte sortiert sich neu. Neben der BDP und der CVP, die deutlich verlieren, liegt auch die EVP leicht im Minus. In der Summe verlieren diese drei Parteien 3,2 Prozentpunkte. In der Mitte können einzig die Grünliberalen positive Umfragewerte (+2,3) vorweisen.
Dies zeigt, dass die Erosion der politischen Mitte im Schweizer Parteienspektrum, die sich im Jahr der "neuen Mitte" 2011 kurzzeitig ins Gegenteil verkehrte, offenbar weitergeht. Dazu passt, dass sich die gegenwärtig einzige Mittepartei im Trend, die GLP, an sich gar nicht als Mittepartei versteht, sondern sich am progressiv-liberalen Pol positioniert.
(sda/mlo)