Die Schweizer sind die Naschkatzen Europas: 11,3 Kilo Schoggi geniesst jeder Bewohner jährlich. Wen wundert es, produziert die Migros-Tochter Delica jeweils für Ostern 6,5 Millonen Hasen – und noch viel mehr Schoggieier. 2021 hat das Unternehmen 2571 Tonnen Osterschokolade hergestellt. Migros-Sprecher Marcel Schlatter sagt: «Die gesamte Schokolade ist Utz zertifiziert, 6 Prozent werden nach Bio-Richtlinien produziert.»
WWF Schweiz und die Partnerorganisationen Pusch, Stiftung für Konsumentenschutz, und Helvetas haben die 31 wichtigsten Labels auf dem Schweizer Lebensmittelmarkt bezüglich Nachhaltigkeit unter die Lupe genommen. Utz beurteilen sie in ihrem Label-Ratgeber mit «empfehlenswert».
Mit einem «sehr empfehlenswert» schneidet die grosse Konkurrentin Coop leicht besser ab. Dort sind 100 Prozent der Osterschokolade Faitrade zertifiziert. Auch Coop stellt Bio-Hasen her, zum genauen Anteil sagt das Unternehmen nichts. Doch Sprecherin Rebecca Veiga hält fest: «Unsere Eigenmarke Halba geht noch einen Schritt weiter als die Fairtrade-Anforderungen.» Sie produziert CO2-neutral, setzt ausschliesslich natürliche Aromen ein und verzichtet auf Palmöl.
Hersteller und Händler achten auf Nachhaltigkeit
Für das Luzerner Familienunternehmen Confiserie Bachmann mit 20 Fachgeschäften in der Zentralschweiz, Zürich, Zug und im Aargau geht es bei Kakao und Schokolade nicht nur um hervorragende Qualität: «Wir setzen auch ein Zeichen gegen Kinderarbeit und Ausbeutung», sagt Matthias Bachmann. Schon vor zehn Jahren baute das Unternehmen in Ghana eine Schule.
2019 lancierte die Confiserie in der Elfenbeinküste, dem weltweit grössten Kakaoanbaugebiet, das Konzept «Family Farm School». «In drei Jahren lernen die Jugendlichen dort das Wichtigste über den Kakaoanbau und die Produktion», sagt Bachmann. In Farmaufenthalten können sie in den Familienbetrieben 1 zu 1 umsetzen, was sie an Theorie gebüffelt haben. Damit erzielen sie bessere Ernten und höhere Erträge. Die dreijährige Ausbildung in der Schule sei vergleichbar mit einer Berufslehre. Platz bietet die Schule 70 Jugendlichen im Alter von 16 bis 25 Jahren. Gemäss Bachmann sollen mindestens 30 Prozent davon weiblich sein, um die Stellung der Frauen in der Region zu verbessern.
Lindt & Sprüngli geht eigenen Weg
Bei der Herstellung ihrer Schokolade – auch für die Osterkollektion – hält sich Bachmann an die Utz-Richtlinien. Corina Gyssler vom WWF wertet es als grundsätzlich positiv, wenn Hersteller auf eine Zertifizierung setzen. Erst eine solche lasse Vergleiche zu und sorge für Transparenz. Einen Extrazug fährt der Schokoladekonzern Lindt & Sprüngli. Das Unternehmen teilt mit, dass es die Ziele auch von nichtstaatlichen Organisationen wie Fairtrade, World Cocoa Foundation, Rainforest Alliance, Utz und anderen für eine nachhaltige Kakaoproduktion teile. «Dennoch möchten wir diesen Weg lieber selbständig gehen – wir haben uns deshalb für den Aufbau eines eigenen Nachhaltigkeitsprogramms für Kakaobohnen entschieden», sagt eine Firmensprecherin.
Das «Lindt & Sprüngli Farming Program» stelle die Bauern und ihre Familien in den Mittelpunkt. Diese sollen direkt von der finanziellen Unterstützung des Unternehmens profitieren. Das Programm ermögliche es Lindt & Sprüngli, 100 Prozent der Kakaobohnen bis zu ihrem Ursprung zurückzuverfolgen. Das sei ein wichtiger Ansatzpunkt zur Vermeidung von Kinderarbeit. Rund 80 000 Bauern in Ghana, Ecuador, Madagaskar, Papua-Neuguinea und der Dominikanischen Republik gehörten dazu. Laut Lindt&Sprüngli wird für jedes Land eine individuelle Lösung erarbeitet. So gut der Ansatz sein mag: Ohne vergleichbare Zertifizierung hat der Konsument keine Gewissheit.
Kinderarbeit weiterhin verbreitet
Auch wenn viele Schweizer Unternehmen nachhaltig Schokolade herstellen. Die süsse Versuchung hat noch immer einen bitteren Nachgeschmack: Im Auftrag des amerikanischen Arbeitsamtes führt das National Opinion Research Center NORC der University of Chicago regelmässig Umfragen in den wichtigsten Anbaugebieten in der Elfenbeinküste und in Ghana bei Kindern und Jugendlichen zwischen 5 und 17Jahren durch. Die Umfrage 2018/19 zeigt, dass unter den Kindern, die in landwirtschaftlichen Haushalten in Kakaoanbaugebieten leben, 45 Prozent mit Kinderarbeit und 43 Prozent mit gefährlicher Kinderarbeit in der Kakaoproduktion insgesamt beschäftigt waren.
Sie verwenden scharfe Werkzeuge wie Macheten und tragen schwere Lasten. Oft sind sie auch Chemikalien ausgesetzt. Angesichts eines Anstiegs der Kakaoproduktion um 14 Prozent zwischen 2013/14 und 2018/19 in der Elfenbeinküste und in Ghana blieb die Bedeutung von Kinderarbeit in kakaoanbauenden Haushalten in beiden Ländern stabil. Über zwei Millionen Minderjährige sollen gemäss NORC auf Kakaoplantagen in der Elfenbeinküste und in Ghana arbeiten.