Das Parlament untersucht Indiskretionen zu Bundesratssitzungen im Zusammenhang mit Pandemie-Massnahmen. Die Geschäftsprüfungskommissionen der Räte haben dazu eine Arbeitsgruppe eingesetzt. Diese befasst sich mit mehr als den Vorwürfen ans Innendepartement.
In den Pandemie-Jahren, als der Bundesrat immer wieder Massnahmen zum Schutz vor Covid-19 beschliessen musste, berichteten Medien wiederholt vorab über Anträge aus dem Eidgenössischen Departement des Innern (EDI). Die von den GPK eingesetzte sechsköpfige Arbeitsgruppe wird nun eine Untersuchung dieser Corona-Leaks an die Hand nehmen.
Nicht nur die Rolle von Berset
Es gehe um die Frage, ob der Bundesrat ausreichend dafür gesorgt habe, dass Indiskretionen nicht vorkämen und wie er präventiv vorgegangen sei, sagte Matthias Michel, Präsident der GPK des Ständerats, am Dienstagabend in Bern vor den Medien. Die Arbeitsgruppe wolle sich nicht mit Einzelfällen befassen.
Unter die Lupe genommen wird zwar die Rolle von Gesundheitsminister Alain Berset, aber nicht nur. Es laufe bereits seit rund zwei Jahren eine Untersuchung zu Indiskretionen zu Bundesratssitzungen, durch eine Subkommission, sagte Michel. Der Bereich Covid-19 werde nun ausgliedert und die nun geschaffene Arbeitsgruppe dafür eingesetzt.
Befassen soll sich die Arbeitsgruppe aber auch mit aus den Medien bekannt gewordenen Indiskretionsvorwürfen an Bersets ehemaligen Kommunikationschef Peter Lauener. «Wir sind hier nicht auf einem freien Feld», schränkte Michel ein. Es liefen bereits Strafverfahren, und es gebe die Gewaltenteilung.
System unter der Lupe
«Wir untersuchen unabhängig von der Justiz, mit unserem Mandat einer parlamentarischen Oberaufsicht», sagte Michel. Die Arbeitsgruppe gehe so weit wie möglich, habe sich aber an rechtsstaatliche Prinzipien zu halten. Es gehe nicht um die Bestrafung eines Individuums, sondern um die Frage, ob am System etwas geändert werden müsse.
Die Arbeitsgruppe, in der alle sechs Parteien mit Parlamentsfraktion vertreten sind, soll klären, zu welchen Indiskretionen es im Zusammenhang mit Covid-19-Geschäften des Bundesrates gekommen ist. Auch soll sie herausfinden, wer diese ausgelöst hat und wer Empfänger dieser Indiskretionen war.
Einen Fahrplan für Anhörungen hat die Arbeitsgruppe noch nicht. Sie werde zunächst Fragestellungen herauskristallisieren und ihr Vorgehen festlegen, sagte Prisca Birrer-Heimo (SP/LU), Präsidentin der GPK des Nationalrats, vor den Medien. Und: «Die Diskussion mit Mediendimension lassen wir hier weg», sagte sie zur Frage, ob auch Journalistinnen und Journalisten angehört würden.
Die Arbeitsgruppe hat zwar Informationsrechte, darf aber selber keine Bundesratsprotokolle einsehen. Kommt sie zum Schluss, dass sie auf Informationen aus diesen Protokollen angewiesen ist, muss sie sich an die Geschäftsprüfungsdelegation (GPDel) wenden. Sie ist befugt, Bundesratsprotokolle auszuwerten.
Kein Zeitrahmen
Einen Zeitrahmen für den Abschluss der Abklärungen besteht nicht. Die Gruppe habe ihre Arbeit aber aufgenommen, und bestehe ein Wille, vorwärtszukommen, sagte Birrer-Heimo. Kein Thema sei es für die GPK allerdings gewesen, eine Parlamentarische Untersuchungskommission (PUK) einzusetzen.
«Über die Einsetzung der PUK müssten beide Räte entscheiden, das geht nicht so schnell», sagte sie. Mit der nun lancierten Arbeitsgruppe komme man schneller ans Ziel. Diese wird vom Neuenburger Ständerat Philippe Bauer (FDP) präsidiert und besteht aus je drei National- und Ständeratsmitgliedern.
Zum Vizepräsidenten wählten die GPK SVP-Nationalrat Thomas de Courten (BL). Weiter gehören die Ständeräte Daniel Fässler (Mitte/AI) und der im Herbst zurücktretende Hans Stöckli (SP/BE) sowie die Nationalrätinnen Katja Christ (GLP/BS) und Manuela Weichelt (Grüne/ZG) zur Gruppe.
SP und FDP begrüssten am Dienstag den Entscheid für eine Untersuchung der Vorwürfe. Die SVP hingegen rechnete nicht mit «substanziellen Ergebnissen» und drohte mit einer PUK.
(sda)