Der Bund ist besorgt über die aktuelle Corona-Situation. Alle wesentlichen Parameter - Fallzahlen, Hospitalisationen, R-Wert, Positivitätsrate - zeigen für ihn in die falsche Richtung. Mit zusätzlichen Erstimpfungen, Auffrischungsimpfungen und Hygienemassnahmen soll die Entwicklung gebremst werden.
«Die Lage ist sehr ungünstig und kritisch», sagte Patrick Mathys vom Bundesamt für Gesundheit (BAG) am Dienstag vor den Medien in Bern. Der Negativtrend werde sich in den kommenden Tagen und Wochen fortsetzen.
Kantone sollen jetzt reagieren
Am stärksten zirkulierte das Virus zuletzt in den jungen Alterskategorien, wie der Bund festhält. Der Kanton Nidwalden sei sechs Mal stärker betroffen als der Kanton Tessin. Doch überall nähmen die Corona-Zahlen zu. «Die Kantone sollen jetzt reagieren», sagte Mathys. Die steigenden Inzidenzen in der Zentral- und Ostschweiz zeigten zudem den deutlichen Zusammenhang auf zwischen dem niedrigen Grad der Durchimpfung und den hohen Fallzahlen.
«Es sind die kleinen Dinge, die wir jetzt tun können», sagte Mathys. Er erliess zum wiederholten Mal den Aufruf, die Hygienemassnahmen einzuhalten und sich doch noch fürs Impfen zu entscheiden. Sonst seien strengere und einschneidendere Massnahmen in einigen Wochen nicht zu verhindern.
Bei der Konferenz der Gesundheitsdirektorinnen und -direktoren (GDK) hiess es dazu auf Anfrage, man müsse mit Vorlauf auch über weitere nationale Massnahmen diskutieren wie etwa Ausweitung der Maskenpflicht, vermehrtes Homeoffice oder Kapazitätsbeschränkungen.
Mehr Spitaleinweisungen
Sorge bereitet dem Bund insbesondere die klare Zunahme bei den Spitaleinweisungen. Die Gesamtauslastung der Intensivbetten liege zwar noch bei 70 Prozent. Der Anteil von Covid-Patienten nehme aber stetig zu. In der kommenden Woche könnten bereits wieder über 200 Schwerkranke auf Intensivstationen liegen, wie Mathys festhielt.
Gemäss der wissenschaftlichen Covid-19-Taskforce des Bundes könnten rund die Hälfte der Hospitalisierungen durch eine Impfung verhindert werden, die andere Hälfte durch die Drittimpfung, den sogenannten Booster. Dies sagte Taskforce-Präsidentin Tanja Stadler vor den Medien.
Bei mehr als einem Drittel der Geimpften liege die zweite Dosis über ein halbes Jahr zurück. Um diese früh Geimpften, darunter auch Gesundheitspersonal, zu schützen, müssten ab sofort bis Ende Jahr täglich 90'000 Menschen den Booster erhalten.
Die Drittimpfung hat laut Stadler eine grosse Wirkung auf die Anzahl Hospitalisierungen und Ansteckungen, doch die Wirkung zeige sich erst im Laufe der nächsten Wochen. Es müsse einfach jedem und jeder klar werden: «Wenn die Spitäler voll sind, leiden darunter alle.»
BAG wird Empfehlung anpassen
Bis Ende November wird das BAG seine Empfehlungen auch für die Booster-Impfung aller über 16-Jährigen anpassen. Dies diene nicht in erster Linie dem Selbstschutz, sondern der Eindämmung der Weiterübertragung des Virus, so Mathys. Er gehe davon aus, dass der Booster «bereits in diesem Jahr in einer Grosszahl der Kantone zur Verfügung stehen wird».
Am Dienstag gab derweil die Swissmedic den Impfstoff von Pfizer/Biontech als Drittimpfung an Personen ab 16 Jahren frei. Entsprechend will nun die Eidgenössische Kommission für Impffragen (Ekif) ihre Impfempfehlungen anpassen, wie das Heilmittelinstitut Swissmedic mitteilte.
Masken in Innenräumen
Derweil fordert die Veranstaltungsbranche die «konsequente Weiterführung» der momentan geltenden 3G-Strategie. Für die Branche sei die Möglichkeit Events, Messen und Kongresse mit 3G-Strategie durchführen zu können, existenziell, hiess es in einer Mitteilung der Allianz der Veranstalterverbände.
Dazu sagte Stadler, die Wahrscheinlichkeit, dass an 3G-Veranstaltungen mit dem Coronavirus infizierte Menschen anwesend sind, sei derzeit sehr hoch. Deshalb sei es in der aktuellen epidemiologischen Lage wichtig, wenig Kontakte in Innenräumen zu haben, zudem sollten Masken getragen werden, auch von Geimpften.
6354 neue Ansteckungen
In der Schweiz und in Liechtenstein wurden dem BAG am Dienstag innerhalb von 24 Stunden 6354 neue Coronavirus-Ansteckungen gemeldet. Gleichzeitig registrierte das BAG 18 neue Todesfälle und 95 Spitaleinweisungen.
Auf 100'000 Einwohnerinnen und Einwohner wurden in den vergangenen zwei Wochen 722,14 laborbestätigte Coronavirus-Infektionen gemeldet. Die Reproduktionszahl R, die angibt, wie viele Personen eine infizierte Person im Durchschnitt ansteckt, lag vor rund zehn Tagen bei 1,35.
Die epidemiologische Situation in der Schweiz entwickelt sich laut Taskforce im Moment ähnlich wie die Situation in Österreich, mit einer zeitlichen Verzögerung von rund drei bis fünf Wochen. Seit Mitte November nehmen demnach die gemeldeten Sars-CoV-2 Fälle in der Schweiz mit einer Verdoppelungszeit von rund zwei Wochen zu.
SDA/sas