Die Bundesregierung in Deutschland diskutiert intern über eine Beschränkung der Ausfuhr von in der Chipproduktion verwendeten Chemikalien nach China. Informierten Kreisen zufolge ist der Vorschlag Teil eines Massnahmenpakets, mit dem Peking der Zugang zu Gütern und Dienstleistungen verwehrt werden soll, die für die Produktion moderner Chips benötigt werden.

Der Schritt würde deutsche Unternehmen wie die Merck KGaA und die BASF SE daran hindern, manche Halbleiterchemikalien nach China zu verkaufen, sagten die Personen, die nicht namentlich genannt werden wollten.

Partner-Inhalte
 
 
 
 
 
 

Beziehungen sind abgekühlt

Bei seinem Versuch, einen Ausgleich zwischen den deutschen Wirtschaftsinteressen in China und den Belangen der nationalen Sicherheit und der Menschenrechte zu finden, hat Bundeskanzler Olaf Scholz zuletzt eine härtere Gangart gegenüber Peking eingeschlagen. Die Beziehungen zwischen Europa und China haben sich abgekühlt, insbesondere nachdem Präsident Xi Jinping und der russische Präsident Wladimir Putin wenige Wochen vor Moskaus Einmarsch in die Ukraine eine «grenzenlose Freundschaft» erklärt hatten.

Beim Wirtschaftsministerium war nicht sofort eine Stellungnahme zu den Plänen zu erhalten.

Scholz und Wirtschaftsminister Robert Habeck stehen in dieser Angelegenheit in engem Kontakt mit den europäischen Verbündeten und den USA, die auf eine globale Blockade des Zugangs Chinas zu Schlüsseltechnologien, einschliesslich Halbleitern, drängen. Von offizieller Seite in Berlin ist zu hören, es gebe in dieser Frage keinen Druck aus Washington, sondern vielmehr den starken Wunsch, zusammenzuarbeiten und die Reihen gegen China zu schliessen.

Die Gespräche innerhalb der Ampelkoalition über derartige Exportkontrollen sind den Personen zufolge noch in einem frühen Stadium. Die Regierung sei sich bewusst, dass eine solche Entscheidung die Geschäftsbeziehungen zu China, das zum grössten Handelspartner Deutschlands geworden ist, beeinträchtigen könnte.

Deutschland will wirtschaftliche Widerstandsfähigkeit stärken

Habecks Ministeriums erarbeitet ein Bündel von Massnahmen, um Deutschlands wirtschaftliche Widerstandsfähigkeit in bestimmten Bereichen zu stärken und einseitige Abhängigkeiten von China zu verringern. Die Idee, Exportkontrollen für Chip-Chemikalien einzuführen, sei Teil dieser Überlegungen, so die Personen.

Der schnellste und praktikabelste Weg zur Umsetzung solcher Exportkontrollen wäre die Aufnahme der betreffenden Güter und Dienstleistungen in die Dual-Use-Liste Deutschlands, so eine der Personen. Andere Ansätze über internationale Listen und Verträge wären schwieriger umzusetzen und würden mehr Zeit in Anspruch nehmen.

Exportkontrollen beschränken den Handel mit bestimmten gelisteten Gütern, die sowohl im zivilen als auch im militärischen Bereich eingesetzt werden können. Ziel solcher Dual-Use-Listen ist es, die Entwicklung und Verbreitung chemischer, biologischer und nuklearer Waffen sowie die versteckte Produktion konventioneller militärischer Waffen zu verhindern.

Die Niederlande haben sich den Bemühungen der USA angeschlossen, die Ausfuhr von Chiptechnologie nach China zu beschränken. Sie werden die Ausfuhr von Produkten des Chipausrüsters ASML für die DUV-Tauchlithografie erschweren, die für die Herstellung der fortschrittlichsten Chips entscheidend sind.

Deutschland verfügt zwar nicht über solche Technologien zur Herstellung von Chips, aber Merck und BASF beliefern Unternehmen in aller Welt mit Chemikalien, die für die Herstellung von Halbleitern benötigt werden. Produkte oder Dienstleistungen von Merck sind in fast jedem Chip auf der Welt zu finden, während BASF Marktführer in Europa und dem Chip-Herstellungszentrum Asien ist.

Ohne Lieferungen von Merck und BASF könnte es für China schwieriger werden, fortschrittliche Chiptechnologien zu entwickeln, und sogar die Fähigkeit zur Herstellung gängiger Halbleiter könnte beeinträchtigt werden. Xi hat staatliche Unternehmen, Forschungsinstitute und Privatunternehmen dazu ermutigt, Technologien zu entwickeln, die ausländische Importe ersetzen können, während die USA versuchen, den technologischen Aufstieg Chinas zu bremsen. Die Chipindustrie des Landes liegt immer noch Jahre hinter TSMC und Samsung Electronics  zurück.

Offene Beziehungen sollen dennoch gewahrt werden

Trotz der internen Debatten über diese Beschränkungen bemüht sich Scholz zugleich um offene Beziehungen zu China. So hat er den chinesischen Premierminister Li Qiang für den 20. Juni zu Gesprächen nach Berlin eingeladen, wie Bloomberg Anfang der Woche berichtete. In den Gesprächen wolle Scholz Peking als wichtigen Partner in Fragen wie Frieden und Klimawandel gewinnen, gleichzeitig aber auch rote Linien für jegliche Änderung des Status quo in Taiwan ziehen, hiess es.

Die Bundesregierung ist entschlossen, die Exponiertheit Deutschlands gegenüber China zu verringern, da Berlin immer noch mit den Folgen der übermässigen Abhängigkeit von russischem Gas zu kämpfen hat. Obwohl Berlin Peking als Systemrivalen betrachtet, ist Scholz gleichwohl gegen eine Abkopplung von China, einem wichtigen Handelspartner und einem entscheidenden Abnehmer für deutsche Exporte.

«Wir sind gegen ein De-Coupling und für De-Risking», hatte Scholz dazu nach dem Gipfel der Staats- und Regierungschefs der EU im März zu China gesagt. Der Prozess des Abbaus von Abhängigkeiten bei Lieferketten, Absatzmärkten und Direktinvestitionen habe seit dem russischen Angriff auf die Ukraine bei vielen Unternehmen bereits begonnen und werde die nächsten ein bis zwei Jahrzehnte bestimmen, so Scholz.

(bloomberg/spi)