«Der Verlust von Steuern lässt sich noch nicht beziffern», sagte Maurer am Freitag nach seiner Rückkehr vom G20-Finanzministertreffen in Washington. Er gehe davon aus, dass einige Firmen mehr Steuern bezahlen werden müssen. Vieles hänge aber von der konkreten Umsetzung der Reform ab.
Die neue Konzernsteuerregelung besteht aus zwei Säulen. Zum einen geht es um die weltweit hundert grössten Unternehmen. Diese sollen nach dem Willen der OECD-Mitgliedstaaten künftig nicht nur im Sitzstaat des Unternehmens besteuert werden, sondern auch dort, wo deren Leistungen konsumiert werden.
Betroffen davon sind laut Maurer zwischen drei und fünf Schweizer Unternehmen. Er nannte konkret die Chemiekonzerne Novartis und Roche sowie den Nahrungsmittelriesen Nestlé. Ob noch ein, zwei weitere Grossunternehmen dazukommen, sei noch offen.
Zum anderen sieht die OECD künftig eine Minimalsteuer von 15 Prozent vor für Unternehmen, die einen weltweiten Jahresumsatz von über 750 Millionen Euro erzielen. Nach Angaben von Maurer werden zwischen 200 und 300 Schweizer Firmen unter diese Regel fallen. Dazu kommen rund 2000 bis 3000 ausländische Tochterfirmen.
Zufrieden mit Verhandlungen
Maurer zeigte sich zufrieden mit den Entwicklungen im laufenden Jahr. Sei man zu Beginn noch von einem Steuersatz von 21 Prozent ausgegangen, sei dieser während der Verhandlungen zuerst auf 18 Prozent, dann auf mindestens 15 Prozent und schliesslich auf genau 15 Prozent gesenkt worden.
Zudem solle es für «kleine, robuste Volkswirtschaften» einen gewissen Spielraum bei der Umsetzung geben, wie Maurer sagte. Dazu liefen derzeit Gespräche. Die Schweiz werde sich weiterhin in den technischen Arbeitsgruppen engagieren, in denen die Details der Reform besprochen werden. Es sei zurzeit noch nichts spruchreif. Genauere Regeln zur Bemessungsgrundlage der Mindeststeuer sollen Ende November 2021 vorliegen.
Betreffend Zeitplan hielt Maurer fest, dass die Inkraftsetzung der neuen Auflagen noch Jahre dauern und schrittweise erfolgen dürfte. Das zu Beginn von der OECD gesteckte Ziel einer Umsetzung im Jahr 2023 sei «schlicht und einfach nicht möglich». Es gehe schliesslich um teilweise grossen Anpassungen bei der Bilanzierung von Unternehmen.
Er gehe davon aus, dass die Beratungen im Parlament Ende 2023 abgeschlossen werden können. Nach Ablauf der Referendumsfrist könnte danach die konkrete Umsetzung geregelt werden. Derzeit laufen laut Maurer die Vorbereitungsarbeiten für eine Vernehmlassungsvorlage. Es sei geplant, den Kantonen bei der Umsetzung «relativ grosse Freiheiten» zu geben. Insbesondere Tiefsteuerkantone fürchteten sich vor dem Wegzug von Firmen.
Bürokratie vermindern
Auch wenn viele Fragen noch offen sind, gab Maurer zu bedenken, dass die Schweiz alles unternehmen müsse, damit der Wirtschaftsstandort attraktiv bleibe. «Wenn wir an Steuereinnahmen verlieren, müssen wir das kompensieren.» Neue Subventionen seien deshalb tabu.
Der Finanzminister sprach von einer «Entrümpelungsaktion für eine liberale Wirtschaftsordnung». Das heisst in seinen Augen, beispielsweise unnötige Steuern wie die Emissionsabgabe zu eliminieren, den administrativen Verkehr zwischen Behörden und Unternehmen mit digitalen Prozessen zu vereinfachen und die Kontingente für Arbeitskräfte aus Drittstaaten für die IT- und Biotechnologiebranche spezifisch zu erhöhen.
Sorgen macht sich Maurer um die fortlaufenden weltweiten Harmonisierungsbestreben. Damit werde der Wettbewerb weiter geschwächt. Es bleibe eine Herausforderung der Schweiz, «sich hier zur Wehr zu setzen».
In diesem Zusammenhang hatte Maurer eine gute Nachricht zu verkünden: Die Schweiz dürfe weiterhin zu den Arbeiten der Gruppe der zwanzig wichtigsten Industrie- und Schwellenländer (G20) aktiv beitragen. «Das ist ein sehr wichtiges Gremium für uns.» Er freue sich bereits auf das Treffen in Indonesien im nächsten Jahr.