Die grosse Kammer befasste sich am Donnerstag mit dem Verlagerungsbericht 2021. Mit diesem legt der Bundesrat Rechenschaft darüber ab, inwiefern er das Verlagerungsziel von maximal 650’000 Lastwagenbewegungen durch die Alpen umsetzt. Wie in den Vorjahren wurde das Ziel auch 2020 weit verfehlt. Mit 863’000 Lastwagenbewegungen lag der Wert über 30 Prozent über der erlaubten Schwelle. Gegenüber 2019 stagnieren die Zahlen.
Die Fraktionen hoben im Nationalrat dennoch das Positive hervor: Der Anteil der Schiene sei mit rund 75 Prozent auf den höchsten Stand seit 25 Jahren gestiegen, hielten verschiedene Sprecherinnen und Sprecher fest. Dies zeige, dass die Instrumente und Massnahmen der Verlagerungspolitik greifen. Zu diesen gehören etwa die Neue Eisenbahn-Alpentransversale (Neat), die Leistungsabhängige Schwerverkehrsabgabe (LSVA) und die Bahnreform.
«Die Schweiz hat vieles gut gemacht»
«Der Trend geht in die richtige Richtung», sagte Kommissionssprecher Marco Romano (Mitte/TI). Von einer «grossen Erfolgsgeschichte» und einer «eindrücklichen Leistung» sprach Mitte-Sprecher Martin Candinas (GR). «Die Schweiz kann stolz auf das Erreichte sein», hielt Katja Christ (GLP/BS) fest.
Selbst Jon Pult (SP/GR), Präsident der Alpeninitiative, anerkannte: «Die Schweiz hat vieles gut gemacht.» Die Verlagerungspolitik sei «absolute Weltspitze». Selbstredend wies er aber daraufhin, dass das von Volk und Ständen angenommene Verlagerungsziel «so zeitnah wie möglich» erreicht werden müsse. Isabelle Pasquier-Eichenberger (Grüne/GE) stellte nüchtern fest: «Wir sind noch weit vom Ziel entfernt.»
Ob dieses Ziel von maximal 650’000 Fahrten im Jahr dereinst erreichbar ist, bezweifeln insbesondere die bürgerlichen Kräfte. «Wir haben schon sehr viel unternommen und sollten nicht unbegrenzt viele Mittel in die Erreichung des Ziels stecken», sagte Kurt Fluri (FDP/SO). Es brauche keine Hektik, hielt Benjamin Giezendanner (SVP/AG) fest. Er plädierte im Namen seiner Fraktion dafür, «nicht unnötig Steuergeld zu verschwenden».
Druck auf das Ausland erhöhen
Auch die Skeptiker wehrten sich aber schliesslich nicht gegen verschiedene Aufträge an die Adresse des Bundesrats, welche die vorberatende Verkehrskommission (KVF-N) verabschiedet hatte. Die auch vom Bundesrat nicht bestrittenen Vorstösse gehen teilweise noch an den Ständerat.
Konkret will der Nationalrat auf drei Wegen Druck ausüben. Erstens soll es in den nördlichen Nachbarländern vorwärtsgehen mit dem Ausbau von Neat-Zubringerstrecken. Zweitens sollen vermehrt kranbare Sattelauflieger zum Einsatz kommen. Und drittens sollen der Neuverkehr und der zusätzliche Verkehr aus den Regionen verstärkt verlagert werden.
Der Bundesrat hatte bei der Publikation des Berichts Ende November bereits selbst neue Massnahmen angekündigt. Diese sollen laut Verkehrsministerin Simonetta Sommaruga helfen, die international hohe Glaubwürdigkeit der Schweiz in Sachen Verlagerungspolitik zu verteidigen.
Weiterentwicklung der LSVA
Konkret will der Bundesrat mit dem nächsten Verlagerungsbericht analysieren, wo es entlang des Nord-Süd-Korridors ungenutztes Verlagerungspotenzial gibt. Geprüft werden sollen etwa neue Schienenanschlüsse, wie dies auch verschiedene parlamentarische Vorstösse fordern. Mit ersten Ergebnissen ist laut dem Bund im Frühjahr 2022 zu rechnen.
Bis Mitte 2023 wird das Departement für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation (Uvek) zudem darlegen, wie die LSVA weiterentwickelt werden kann. Neben dem Gewicht und der Distanz soll künftig auch der CO2-Ausstoss bei der Berechnung der Abgabe berücksichtigt werden.
Ansetzen will der Bundesrat auch bei der Rollenden Landstrasse (Rola). Mit diesem System werden pro Jahr zwischen 80’000 und 90’000 ganze Lastwagen auf der Schiene transportiert. Die Ende 2023 auslaufende Finanzierung soll laut Bundesrat bis 2028 verlängert werden. Ende 2028 soll die Rola dann eingestellt werden.
Bevor die Massnahmen umgesetzt werden, wird sich auch das Parlament noch mal dazu äussern können.