Der Internationale Währungsfonds (IWF) teilte am Dienstag in Washington mit, 2021 nur noch mit einem Wachstum von 5,9 Prozent zu rechnen, ein Tick weniger als noch im Juli geschätzt. 2022 wird dann weiterhin mit 4,9 Prozent gerechnet.
«Insgesamt haben sich die Risiken für die wirtschaftlichen Perspektiven erhöht», hiess es im Weltwirtschaftsausblick, mit dem die IWF-Herbsttagung eingeläutet wurde. Als Beispiele wurden Lieferkettenprobleme und die anziehende Inflation genannt. In vielen Entwicklungsländern verhindert die Pandemie eine Rückkehr zur Normalität. Der Ausblick für ärmere Staaten sei deutlich düsterer geworden.
Riesige Unterschiede bei Konjunkturerholung
Der IWF warnte erneut vor riesigen Unterschieden bei der Erholung der Konjunktur. Das liege vor allem am Impffortschritt und den Staatshilfen für Unternehmen und Haushalte. In reicheren Ländern seien bereits knapp 60 Prozent der Bevölkerung vollständig gegen Covid geimpft, in ärmeren Staaten dagegen erst vier Prozent. Priorität müsse deswegen haben, Corona-Mutationen zu verhindern und Impfstoff in alle Länder zu bringen.
Im Corona-Jahr 2020 war die Weltwirtschaft um 3,1 Prozent geschrumpft. Für 2021 werden vor allem die Perspektiven für die USA, aber auch Deutschland, Spanien und Japan nicht mehr so rosig eingeschätzt. Lieferengpässe - etwa bei Halbleitern - sind dabei in den USA und Deutschland ein wichtiger Grund, in Japan wirkt sich der monatelange Ausnahmezustand in Folge von Corona-Rekord-Infektionen negativ aus. Nach 2022 geht der IWF wieder von normaleren Wachstumsraten aus - mittelfristig etwa 3,3 Prozent.
Für die USA rechnet der IWF 2021 noch mit einem Wachstum von 6,0 Prozent, ein ganzer Punkt weniger als bisher. 2022 dürfte es ein Plus von 5,2 Prozent geben. Für Deutschland gehen die Experten von Zuwächsen von 3,1 und 4,6 Prozent aus. Damit wurde die Prognose für dieses Jahr um 0,5 Punkte gesenkt, für 2022 aber um diese Grössenordnung erhöht. Die Erholung verschiebt sich also stärker in das nächste Jahr. China bleibt ein Zugpferd der Weltwirtschaft. Hier werden Wachstumsraten von 8,0 und 5,6 Prozent erwartet - in beiden Fällen ein Tick weniger als im Juli geschätzt.
Inflation wird zum Problem
Die zuletzt deutlich angezogenen Teuerungsraten gehen laut IWF auf mehrere Faktoren zurück. Beispielsweise sind durch die Pandemie Angebot und Nachfrage in vielen Branchen nicht mehr im Gleichgewicht, Rohstoffpreise und Energiekosten ziehen teils sprunghaft an, ausserdem sind in der Corona-Krise Sonderfaktoren wie in Deutschland die zwischenzeitlich gesenkte Mehrwertsteuer mittlerweile ausgelaufen.
Ärmere Staaten spüren vor allem die deutlich höheren Lebensmittelpreise - sie sind seit Ausbruch der Pandemie um rund 40 Prozent gestiegen. Prognosen zur Inflation seien schwierig, so der IWF. Ende des Jahres sollte aber für die meisten Länder der Höhepunkt erreicht sein. Mitte 2022 sollten wieder Niveaus erreicht werden, die vor der Corona-Krise üblich waren. In einigen Schwellen- und Entwicklungsländern dürfte der Preisdruck allerdings auch nächstes Jahr hoch bleiben.
Für Europa prognostiziert der IWF 2021 einen Zuwachs der Verbraucherpreise um 4,2 Prozent, 2022 noch um 3,6 Prozent. Zum Vergleich: Im Corona-Jahr 2020 gab es in den grossen EU-Ländern kaum Inflation. Die Europäische Zentralbank strebt etwa zwei Prozent als idealen Wert für die Wirtschaft an.
REUTERS/sas