Der Grossreeder Gianluigi Aponte wagt mit seinem Schifffahrtsimperium den Sprung in die Luft: Der 81-Jährige, als «der Kapitän» bekannt, will ein Luftfracht- und Passagiergeschäft aufbauen, das das Seefracht- und Kreuzfahrtgeschäft seiner Firma MSC ergänzen soll.
Dafür plant Aponte zusammen mit der Lufthansa, die Mehrheit an der italienischen Staatsairline ITA zu übernehmen. Aber die Herausforderung ist gross. Denn Alitalia strauchelte jahrelang, und die italienische Regierung gab schätzungsweise zehn Milliarden Euro für Rettungsmassnahmen aus, bevor die Fluggesellschaft 2021 als ITA Airways neu gegründet wurde.
Italiens Regierung hat nun den Privatisierungsprozess und die Suche nach Partnern für ITA gestartet, will aber anfangs noch einen Minderheitsanteil halten, wie Wirtschaftsminister Daniele Franco erklärte. Offen hält sich der Staat, ob es einen offenen Bieterprozess oder einen exklusiven Verkauf, wie es MSC und Lufthansa vorschwebt, geben wird.
Rekordgewinne für MSC dank Krise
Die globale Lieferkettenkrise hat den weltgrössten Schifffahrtsunternehmen wie MSC wegen der gestiegenen Frachtkosten Rekordgewinne in Milliardenhöhe beschert. Die Mediterranean Shipping Company (MSC) ist, gemessen an der Kapazität, bereits die Nummer eins unter den Container-Reedereien der Welt und hat den dänischen Marktführer Maersk überholt.
Bei Kreuzfahrtschiffen ist sie die Nummer drei. MSC mit Hauptsitz in der Schweiz dürfte 1,2 bis 1,6 Milliarden Euro für ITA bieten und wäre bereit, bar zu zahlen, sagt ein Brancheninsider der Nachrichtenagentur Reuters.
MSC und Lufthansa wollen die ITA-Mehrheit übernehmen und baten um 90 Tage exklusive Prüffrist. Einem Regierungsvertreter zufolge lotet das Finanzministerium aber aus, ob es noch andere potenzielle Käufer gibt.
Laut Branchenkreisen soll Lufthansa eine Minderheitsbeteiligung erwerben, auch wenn MSC den Kauf alleine stemmen könnte. Der Plan sieht vor, dass MSC seine führende Position mit Vermögenswerten in den Bereichen Logistik, Häfen, Seefracht sowie Passagier- und Kreuzfahrtgeschäft nutzt, um eine Plattform zu schaffen.
Dies soll neues Geschäft an Land ziehen sowie den Fracht- und Passagierluftverkehr ausbauen. «Der unmittelbare Nutzen wird vom Frachtlogistikgeschäft erwartet», sagt der Insider.
Mehr Unterschiede als Gemeinsamkeiten
«See- und Luftfracht sind zwei Transportarten mit mehr Unterschieden als Gemeinsamkeiten», warnt allerdings Peter Sand, Chefanalyst der Luft- und Seefrachtraten-Plattform Xeneta. «Aus rein geschäftlicher Sicht macht es viel weniger Sinn, auch wenn MSC ein Kreuzfahrtgeschäft betreibt», sagt der Experte. Die Synergien wären womöglich nicht sehr gross.
ITA hat 52 Flugzeuge und damit weniger als die Hälfte der Flotte von Alitalia. Die Airline beschäftigt rund 2300 Mitarbeiter zu geringeren Kosten als zuvor - verglichen mit fast 11'000 bei Alitalia 2019. Die Langstreckenflüge sind auf die Verbindung Rom - New York reduziert, sollen aber ab Sommer ausgebaut werden.
ITA besitzt die Mehrheit der Start- und Landerechte am Flughafen Linate der wichtigen Finanzmetropole Mailand. Roms Airport Fiumicino ist als ITA-Drehkreuz wichtiger Anlaufpunkt für Inlandsflüge als auch für internationale Ziele - wie Routen nach Afrika. ITAs Kasse ist mit gut 400 Millionen Euro gefüllt, dank einer staatlichen Kapitalspritze von 700 Millionen Euro 2021.
Aus Lufthansa-Sicht hätte die Kooperation mehrere Vorteile: Sie könnte bei Passagierflügen ihren Marktanteil in Italien steigern, mehr Fluggäste auf Zubringerflügen zu ihren Drehkreuzen in Wien, München, Frankfurt, Zürich oder Brüssel einsammeln und vom ITA-Drehkreuz in Rom der italienischen Airline helfen, deren Langstreckenangebot auszubauen. Die Frachttochter Lufthansa Cargo ist führender Anbieter in Europa -– und könnte Know-how beisteuern, das noch kleine Geschäftsfeld bei ITA auszubauen. Und die Partnerschaft mit dem Cargo-Riesen MSC könnte den Frankfurtern mehr Auslastung bringen.
Der Milliardär Aponte greift zum zweiten Mal nach Italiens nationaler Fluglinie. Er war schon 2008 Teil eines privaten Konsortiums, das Alitalia kaufen wollte. Aber er verliess das Projekt einige Monate später, unter anderem wegen des Fehlens einer klaren industriellen Strategie.
Reuters/sas