In der Führungsetage der Europäischen Zentralbank mehren sich die Stimmen, die für die nächste Zins-Sitzung eine weniger aggressive Gangart erwarten. Der irische Zentralbankchef Gabriel Makhlouf rechnet damit, dass auf der EZB-Ratssitzung am 15. Dezember wahrscheinlich eine Zinserhöhung um einen halben Prozentpunkt beschlossen wird. Für ihn persönlich sei dies das «Minimum», sagte er am Montag.
Die EZB habe aber noch nicht die Phase erreicht, in der sie zuversichtlich sein könne, die Inflation unter Kontrolle zu haben. 2023 würden daher weitere Zinserhöhungen nötig werden.
Frankreichs Zentralbankchef Francois Villeroy de Galhau sprach sich jüngst dafür aus, den Leitzins nicht mehr so stark wie zuletzt anzuheben. Im September und Oktober hatte die EZB den geldpolitischen Schlüsselsatz um jeweils 0,75 Prozentpunkte erhöht. Der Einlagensatz, den Banken für das Parken überschüssiger Gelder von der Notenbank erhalten, liegt damit bei 1,50 Prozent.
Inflation im November nach langer Zeit wieder tiefer
Nun mehren sich die Zeichen einer Abschwächung des hohen Preisdrucks. Die Produzentenpreise in der Industrie erhöhten sich im Oktober um 30,8 Prozent. Im September lag das Plus noch bei 41,9 Prozent. Und auch die Verbraucherpreise steigen nicht mehr so rasant: Die Inflationsrate hat sich im November auf 10,0 von 10,6 Prozent im Oktober verringert. Die Abschwächung vom bisherigen Rekordniveau dürfte den Währungshütern Argumente liefern, bei den Zinserhöhungen den Fuss etwas vom Gas zu nehmen.
Laut EZB-Präsidentin Christine Lagarde hält sich die Notenbank im Kampf gegen die Inflation alle Türen für Zinserhöhungen offen. Wie viel weiter die EZB noch gehen und wie schnell sie dahin kommen müsse, hänge von verschiedenen Faktoren ab. Dazu gehörten die Wirtschaftsprognosen der EZB-Volkswirte, das Ausmaß der wirtschaftlichen Krise, die Entwicklung der Löhne sowie die Inflationserwartungen.
Experten rechnen mit Leitzins von 3 Prozent
Von Reuters befragte Experten gehen davon aus, dass der Höchststand beim Einlagensatz bei 2,50 Prozent liegen wird und beim Leitzins bei 3,00 Prozent. Laut Makhlouf sind allerdings auch Szenarien denkbar, in denen die Drei-Prozent-Marke überschritten werden könnte. Er sei sich nicht sicher, ob die Inflation in der Euro-Zone ihren Höhepunkt bereits erreicht habe.
(reuters/gku)
1 Kommentar
Inflationsbekämpfung? Ach woher! Die Auswirkungs- und Folgekosten der Pandemie müssen auch von der weltlichen Allgemeinheit irgendwie berappt werden! Die Auswirkungs- und Folgekosten für die Geldüberflutung, welche seinerzeit Herr Mario Draghi zugunsten aller europäischen Banken eingeleitet hatte, muss auch von der europäischen Allgemeinheit getragen werden. Die Auswirkungs- und Folgekosten des Ost- und Nahost-Konflikts müssen auch von der weltlichen Allgemeinheit beglichen werden. Bedenke man schon nur die während der Pandemie getätigten Kreditvergaben an viele inkompetente Unternehmungen, die früher oder später ohnehin vom Pleitegeier heimgesucht werden! Sie haben völlig Recht, notre très chère Madame Lagarde. Nennen wir doch das Ganze schlicht und einfach vorerst einmal Inflationsbekämpfung!