Trotz der Zinserhöhungen in den USA läuft der Arbeitsmarkt noch weitgehend rund und die Firmen schaffen viele Jobs. Im Juni entstanden 209'000 Stellen ausserhalb der Landwirtschaft – damit allerdings weniger als erwartet, wie die Regierung in Washington am Freitag mitteilte. Ökonomen hatten mit 225'000 neuen Arbeitsplätzen gerechnet. Zudem kamen im Mai revidiert nur 306'000 Jobs hinzu und nicht wie ursprünglich gemeldet 339'000 Stellen.
An der Wall Street haben die gemischt aufgefassten Signale vom US-Arbeitsmarkt am Freitag für Zurückhaltung gesorgt. Der Dow-Jones-Index der Standardwerte notierte 0,2 Prozent niedriger bei 33.840 Punkten. Der breiter gefasste S&P 500 verlor 0,1 Prozent auf 4406 Zähler. Der Index der Technologiebörse Nasdaq stand 0,1 Prozent höher bei 13.686 Punkten.
Analysten sprachen teilweise von enttäuschenden Daten, dennoch gilt eine weitere Zinserhöhung der US-Notenbank Fed als ausgemacht. «Auch wenn sich der Arbeitsmarkt abkühlt, bleibt er doch aus Sicht der US-Notenbank wohl zu stark», erklärte Commerbank-Experte Christoph Balz. «Damit dürfte die Fed die Leitzinsen noch in diesem Monat erneut anheben.»
Die US-Notenbank Fed hat nach zehn Erhöhungen in Folge zuletzt eine Pause eingelegt und die Leitzins-Spanne von 5,0 bis 5,25 Prozent beibehalten. Sie hat die Geldpolitik massiv gestrafft, um die hohe Inflation einzudämmen und den heiss gelaufenen Arbeitsmarkt abzukühlen. Finanzmarkt-Fachleute gehen davon aus, dass die Federal Reserve die Zinsen in diesem Jahr noch etwa zweimal erhöht. Auch Fed-Chef Jerome Powell hatte jüngst betont, die meisten Entscheidungsträger der Fed erwarteten mindestens zwei weitere Zinsschritte bis Ende 2023.
«Wirtschaftliche Risse im US-Konjunkturbild»
Nach den Job-Daten wurde am US-Finanzmarkt die Chance einer weiteren Zinserhöhung für Ende Juli um 0,25 Prozentpunkte auf rund 90 Prozent geschätzt. Marktteilnehmer zeigten sich aber skeptischer zu weiteren Schritten. Händler sehen die Wahrscheinlichkeit für eine Zinserhöhung im November nur noch bei etwa eins zu drei. Der Arbeitsmarkt sei insgesamt robust, sagte Chefvolkswirt Alexander Krüger von der Hauck Aufhäuser Lampe Privatbank. «Die Fed dürfte das weiter in Richtung einer Zinserhöhung schubsen.»
Der Jobmarkt laufe sehr rund, aber eine positive Überraschung sei ausgefallen, ergänzte Thomas Gitzel, Chefökonom der VP Bank. Er hält es für möglich, das die allgemein erwartete Straffung der Geldpolitik Ende Juli «der finale Zinsschritt» sein dürfte. «Die Inflationsraten werden bis zum Jahresende weiter fallen und wirtschaftliche Risse im US-Konjunkturbild sollen deutlicher werden.»
Die getrennt ermittelte Arbeitslosenquote sank im Juni wie erwartet leicht auf 3,6 von 3,7 Prozent im Mai. Laut einer Faustregel von Volkswirten genügt ein Plus von 70.000 bis 100'000 Stellen pro Monat, um die wachsende US-Bevölkerung im arbeitsfähigen Alter mit Jobs zu versorgen.
Mit Blick auf den Inflationsdruck richtet die Fed ihr Augenmerk auch auf das Lohnwachstum. Die durchschnittlichen Stundenlöhne legten im Juni um 4,4 Prozent zum Vorjahr zu, nach revidierten 4,4 Prozent im Mai. Von Reuters befragte Experten hatten hier nur ein Plus von 4,2 Prozent auf dem Zettel. Gleichzeitig legten die durchschnittlichen Stundenlöhne um 0,4 Prozent gegenüber Mai zu und hielten damit das Tempo aus dem Vormonat. Helaba-Experte Ralf Umlauf sprach von «ansehnlichen Lohnsteigerungen». Die Fed werde daher an der geplanten Zinserhöhung noch im Juli festhalten und «sich darüber hinaus alle Optionen in Abhängigkeit der Datenentwicklung offenhalten».
(reuters/mth)