Die Schweiz will aufs Tempo drücken, um mit Massnahmen gegen bereits 2025 mögliche Strom-Versorgungslücken gewappnet zu sein. Gefordert werden unter anderem ein rascherer Ausbau erneuerbarer Energien und eine Beschleunigung von Bewilligungsverfahren.

Noch sei Zeit, das Szenario abzuwenden, laut dem der Bund ab 2025 vor Energie-Engpässen in den Wintermonaten warnt, erklärte Michael Wider, Präsident des Verbandes der Schweizerischen Elektrizitätsunternehmen (VSE) und Alpiq-Geschäftsleitungsmitglied, im Interview mit dem "SonntagsBlick".

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Die Schweiz brauche dazu einen rascheren Zubau von erneuerbaren Energien, den Ausbau der Wasserkraft und weitere Massnahmen im Winter, wenn zu wenig Energie produziert werde, so Wider. Speicherkraftwerke in den Alpen könnten zwischen Februar bis April Wasser zurückhalten und damit dann Strom produzieren, wenn er knapp sei.

Die Geschwindigkeit erhöhen

Rascheres Handeln als bisher sei aber notwendig. Die 15 Wasserkraft-Projekte, die die Kantone, Umweltministerin Simonetta Sommaruga und Umweltverbände für eine zügige Realisierung ausgemacht hätten, seien 2025 nicht vollendet. "Jetzt müssen Taten folgen. Wir sind nicht gerade die Geschwindigkeits-Champions", sagte Wider.

Könnten erneuerbare Energien die absehbaren Lücken nicht füllen, kämen weniger attraktive Lösungen zum Zug. Gaskraftwerke seien bei Engpässen nicht ausgeschlossen. Für die Versorgungssicherheit müssten jetzt wichtige Entscheide gefällt werden. Es wäre laut Wider "wirklich zu bedauern, wenn die Diskussion über die Kernenergie diesen Prozess verzögert".

Wider stellte fest, dass das Stimmvolk 2017 entschieden habe, dass die Schweiz keine Kernkraftwerke mehr baue. Ein Technologie-Verbot sei nie eine gute Entscheidung. "Aber selbst wenn man heute ein neues AKW bauen wollte, dauert das zu lange. Für die anstehenden Versorgungsengpässe könnte es keinen Beitrag leisten", so Wider. Zudem müsste eine "neue Generation der Kraftwerke" die Schwächen der alten ausmerzen, nämlich die Kernschmelze und die Entsorgung der Abfälle.

Auf Kernkraft in Zukunft nicht ganz verzichten möchte die Spitze der FDP Schweiz. Eine parteiinterne Resolution, über die die Partei-Delegierten am 12. Februar befinden werden, will das Neubauverbot für Kernkraftwerke aufheben. Es gehe darum, das Problem zu lösen, dass die Schweiz in Zukunft massiv mehr Strom brauche, erklärte FDP-Präsident Thierry Burkart in einem am Samstag veröffentlichten Interview mit den Tamedia-Zeitungen.

Neubau von AKW als langristige Option

Widerstand gegen eine Aufhebung des Bauverbots für neue AKW bekunden FDP-Frauen. "In einer liberalen Partei wird es immer Leute geben, die anderer Meinung sind", erklärte dazu Burkart. Wenn die Kapazitäten bei den erneuerbaren Energien nicht ausreichten, müssten aber alle möglichen Lösungen ins Auge gefasst werden. Bereits bei der Abstimmung 2017 sei das Neubauverbot für AKW in der Partei stark umstritten gewesen.

Kurzfristig sei die Nukleartechnologie keine Lösung für die Schweizer Stromversorgung. "Doch wie jede Technologie entwickelt sich die Kernkraft weiter. Darum soll sie langfristig eine Option sein, die Stromversorgung zu sichern", erklärte Burkart.

Beim Ausbau der erneuerbaren Energien sei die Schweiz im Rückstand. Es brauche diverse Massnahmen. So müssten die Verfahren beschleunigt werden. Mit strafferen Einsprache-, Konsultations- und Rechtsmittelverfahren könnten auf Eigenheimen und öffentlichen Infrastrukturen rasch mehr Fotovoltaikanlagen zugebaut werden.

Laut dem Aargauer Ständerat sollten Fotovoltaikanlagen etwa an Lärmschutzwänden und entlang von Autobahnen gebaut werden und auch Freiflächen, etwa Wiesen müssten besser genutzt werden. Eine Absage erteilte Burkart einer Solarpflicht für Hauseigentümer.

Eine solche will Umweltministerin Sommaruga gemäss der "Schweiz am Wochenende" vom Samstag dem Bundesrat am Mittwoch vorstellen. Sie will den Ausbau der Solarkraft künftig gesetzlich für alle Neubauten vorschreiben. Das Umweltdepartement äusserte sich auf Anfrage der Nachrichtenagentur Keystone-SDA nicht dazu.

Die ersten Pilotprojekte laufen bereits

Bereits Ende Oktober hatte der Bundesrat angekündigt, dass das Potential von Photovoltaik-Anlagen entlang von Lärmschutzwänden von Autobahnen und Bahnstrecken künftig besser ausgeschöpft werden soll. Wenn diese Lärmschutzwände systematisch mit Solarpanels ausgerüstet würden, könnte damit der jährliche Strombedarf von rund 22'000 Haushalten abgedeckt werden.

Wie die "NZZ am Sonntag" berichtete, sind bisher zwei Pilotprojekte vom Bundesamt für Strassen (Astra) bewilligt worden, bei denen offenen Autobahn-Abschnitte mit Solarpanels überdacht werden. Bei Fully im Unterwallis sollen rund 40'000 Solarpanels über 1,6 Kilometern Autobahn Strom für 5000 Einfamilienhäuser erzeugen. Ein zweites Pilotprojekt ist auf zwei Autobahn-Galerien bei Neuenhof AG und Leuzigen BE geplant.

(sda / fit)