Die Ermittler werfen dem früheren Finanzvorstand Alexander von Knoop und der ehedem im Wirecard-Vorstand für die Produktentwicklung zuständigen Managerin Susanne Steidl mehrere Fälle von Untreue mit einem Schaden von mehreren hundert Millionen Euro für den einst an der Frankfurter Börse kotierten Konzern vor. So sollen die beiden an Vorstandsbeschlüssen beteiligt gewesen sein, Firmengelder ohne Sicherheiten an Wirecard-Geschäftspartner zu vergeben. Im nächsten Schritt muss nun ein Landgericht in München über die Zulassung der Anklage entscheiden.
Die Ermittler gehen dabei gar nicht davon aus, dass die beiden in den mutmasslichen Milliardenbetrug verwickelt waren, wegen dessen der frühere Vorstandschef Markus Braun und zwei weitere frühere Wirecard-Manager seit Dezember 2022 vor Gericht stehen. Sie sollen aber gegen ihre Pflichten verstossen haben, weil sie Firmengelder quasi ins Blaue hinein vergaben. Unter anderem geht es dabei um ein Darlehen von 100 Millionen Euro, das Wirecard nach Angaben der Staatsanwaltschaft im Frühjahr 2020 ohne Sicherheiten an eine Singapurer Firma namens Ocap überwies. Ocap war nach den bisherigen Erkenntnissen im Prozess gegen Braun Teil eines schwer durchschaubaren Firmengeflechts, über das Wirecard-Gelder hin und her geleitet wurden, um schliesslich in dunklen Kanälen zu verschwinden.
Auch die Anwälte von Knoops betonten, dass der frühere Finanzvorstand zu «keiner Zeit Kenntnis von etwaigen Machenschaften zum Nachteil der Wirecard AG und deren Aktionären durch andere verantwortliche Personen der Wirecard-Gruppe» gehabt habe. «Zu keiner Zeit hatte Herr von Knoop die Absicht oder auch nur die Vorstellung, Gesellschaften der Wirecard-Gruppe bei seinem Handeln zu schädigen.» Ein Sprecher Steidls sagte, er könne keine Stellungnahme zu einem laufenden Verfahren abgeben.
Steidl und von Knoop waren im Januar 2018 in den Wirecard-Vorstand aufgerückt, lange nachdem Braun laut Ermittlungen der Staatsanwaltschaft gemeinsam mit etlichen Komplizen in- und ausserhalb des Konzerns eine Betrügerbande gebildet haben soll. Die ebenso wie Braun und der seit 2020 untergetauchte frühere Vertriebsvorstand Jan Marsalek aus Österreich stammende Steidl hatte als Zeugin im Prozess auch persönlich betont, von Betrug nichts gewusst zu haben.
Die von der Staatsanwaltschat vermutete Wirecard-Bande mit Braun und Marsalek in massgeblichen Rollen soll die Bilanzen des Zahlungsdienstleisters jahrelang mit erfundenen Scheingeschäften aufgebläht haben, um den eigentlich defizitären Konzern über Wasser zu halten. Opfer waren laut Anklage im Wesentlichen die kreditgebenden Banken, den Betrugsschaden beziffert die Staatsanwaltschaft auf gut drei Milliarden Euro. Braun bestreitet seit Prozessbeginn sämtliche Vorwürfe.