Die Medienberichte über den früheren Steuersitz der Waadtländer Finanzdirektorin Valérie Dittli (Mitte) im Kanton Zug haben am Dienstag auch im Grossen Rat hohe Wellen geworfen. Von linker Seite wurden Stimmen laut, die ein unabhängiges Steuergutachten fordern.
Der Präsident der SP Waadt, Romain Pilloud, forderte die Kantonsregierung dazu auf, ein solches Gutachten in die Wege zu leiten. «Es geht nicht darum, anzuklagen, sondern zu verstehen», sagte der SP-Abgeordnete am Dienstag im Kantonsparlament und kündigte an, dass seine Partei einen entsprechenden Vorstoss einreichen werde.
Dittli hatte in den Medien erklärt, sie habe einen Experten beauftragt, um Licht in ihre Steuersituation zu bringen. Für Pilloud ist es jedoch nicht Sache der Finanzministerin, ein solches Gutachten in Auftrag zu geben. Er forderte einen «neutralen» Prozess, der «frei von Interessenkonflikten» ist.
Hadrien Buclin erklärte für die Fraktion «Ensemble à Gauche/POP», neben einem unabhängigen Steuergutachten müsse auch die Problematik der «Abzüge für die Transportkosten zwischen Lausanne und Zug» angesprochen werden.
«Niederträchtige Angriffe»
Die FDP und die SVP kamen der Vorsteherin des Finanzdepartements zu Hilfe. Die SVP-Politikerin Céline Baux kritisierte «politische Angriffe von namenloser Niedertracht» und «billigen Boulevardjournalismus». Sie verurteilte auch den Rücktrittsaufruf der Waadtländer Jungsozialistinnen und Jungsozialisten (Juso) an die Adresse von Dittli.
Die FDP-Grossrätin Florence Bettschart-Narbel forderte ihrerseits «etwas Ruhe und Würde in diesem Dossier». Sie führte die Angriffe auf Dittli darauf zurück, dass es die Linke schlecht verdaut habe, dass sie bei den letzten kantonalen Wahlen einen Sitz an die Mitte verloren habe. Die FDP könnte sich einem unabhängigen Steuergutachten jedoch anschliessen, um die Situation zu beruhigen.
Die Regierung habe die verschiedenen Interventionen zur Kenntnis genommen, sagte Staatsratspräsidentin Christelle Luisier (FDP). Der Staatsrat werde zu gegebener Zeit antworten und zum jetzigen Zeitpunkt keine Kommentare abgeben.
Zwischen Zug und Lausanne
Das Westschweizer Fernsehen RTS hatte am vergangenen Freitag berichtet, dass die gebürtige Zugerin Dittli ihren steuerlichen Wohnsitz erst Anfang 2022 in Lausanne eingerichtet hatte, als sie sich für den Staatsrat bewarb. In den sechs Jahren zuvor hatte sie Steuern im Heimatkanton Zug bezahlt – trotz eines aktiven Lebens im Waadtländer Hauptort etwa als Assistenzdoktorandin für Recht an der Universität Lausanne oder Mitte-Politikerin.
Dittli wies im TV den Vorwurf, Steuertourismus betrieben zu haben, von sich. Trotz ihres Engagements an der Universität Lausanne, aber auch in der Politik, sei sie damals immer davon ausgegangen, dass «ihr Lebensmittelpunkt» in Zug geblieben sei.
«Wir sprechen von meinem Leben als Studentin, Doktorandin, Praktikantin, in einem Alter, in dem man sich noch sucht, in dem alles offen ist», sagte sie und betonte, dass sie damals noch nicht gewusst habe, dass sie Staatsrätin werde, wie ihre berufliche Laufbahn aussehen und in welchem Kanton sie diese absolvieren werde.
Die 30-jährige Mitte-Politikerin versicherte, wenn ein Rechtsgutachten zum Schluss komme, dass sie zwischen 2016 und 2021 im Kanton Waadt hätte Steuern zahlen müssen, werde sie sich dem fügen und «die Konsequenzen ziehen».
(sda/mth)