Gegen die vom Parlament beschlossene Änderung des Bundesgesetzes über die Stempelabgaben hatte die SP das Referendum ergriffen. Mit der Unterstützung von Grünen, EVP und EDU brachte sie die Vorlage nun zu Fall.
Das Ergebnis kommt nicht überraschend. Die letzten Umfragen vor der Abstimmung hatten auf ein Nein hingedeutet. In der Umfrage von Tamedia und "20 Minuten" lehnten 60 Prozent der Befragten die Vorlage ab. In der Befragung von gfs.bern im Auftrag der SRG gaben 53 Prozent ablehnende Stimmabsichten an.
Mit dem Nein wird die seit Ende des Ersten Weltkriegs geltende Stempelsteuer weitergeführt. Die seither mehrmals reformierte Abgabe wird heute erhoben, wenn ein Unternehmen Eigenkapital - etwa in Form von Aktien - beschafft. Die Steuer beträgt ein Prozent des aufgenommenen Kapitals, wird aber erst auf Beträgen über einer Million erhoben. Steuerpflichtig sind also vorwiegend mittlere und grosse Unternehmen.
Emotionale Debatte über technisches Thema
Die Gegner der Steuervorlage schafften es offenbar - und nicht zum ersten Mal - auch Teile der bürgerlichen Bevölkerung zu überzeugen. Die Kampagne mit Slogans wie "Nein zum Steuer-Bschiss" erinnerte teilweise an den Abstimmungskampf zur Unternehmenssteuerreform III vor fünf Jahren. Damals hatten sich fast 60 Prozent der Stimmenden gegen die Steuerreform gestellt. Jetzt scheitert erneut eine Steuervorlage.
Allen voran die Zürcher SP-Nationalrätin Jacqueline Badran legte sich für ein Nein ins Zeug. In der Abstimmungs-"Arena" des Schweizer Fernsehens (SRF) stritt sie sich leidenschaftlich mit Finanzminister Ueli Maurer und wetterte gegen die zunehmenden Privilegien der Grosskonzerne und Finanzindustrie.
Die meisten Bürgerinnen und Bürger hätten nichts von der Abschaffung der Stempelsteuer, machte das Referendumskomitee geltend. Die Abgabe stelle für Unternehmen, die ihr Kapital aufstocken wollen, kein nennenswertes Problem dar. Nur 0,25 Prozent der Firmen zahlten die Abgabe. Es gebe daher keinen Grund, sie abzuschaffen.
Erfolglose Argumente der Wirtschaft
Die Befürworter - die Parlamentsmehrheit von SVP, FDP, Mitte-Partei und GLP - schafften es nicht, die Bevölkerung vom Gegenteil zu überzeugen. Sie hatten den Werkplatz Schweiz ins Zentrum ihrer Kampagne gestellt und die Stempelabgabe als "überflüssige Sondersteuer" bezeichnet - letztlich erfolglos.
Von der Abschaffung der Emissionsabgabe hätten laut Finanzminister Maurer insbesondere junge, wachstumsstarke Unternehmen profitiert, die noch keine Reserven haben. Ohne Stempelsteuer würden die Investitionskosten gesenkt, was sich positiv auf Wachstum und Arbeitsplätze auswirke, argumentierte er zusammen mit dem Pro-Komitee. Die Stempelsteuer hemme das Wachstum von solchen Unternehmen.
Laut verschiedenen Wirtschaftsverbänden hätte sich die Schweiz die Abschaffung der Stempelabgabe leisten können. Die geschätzten Mindereinnahmen von rund 250 Millionen Franken im Jahr wären mittel- und langfristig mehr als kompensiert worden, mutmassten sie. Als Beleg fügten sie die letzten grossen Unternehmenssteuerreformen an. Seither verzeichne der Bund markant mehr Einnahmen.
Nächste Auseinandersetzung folgt bald
Das Nein zur Stempelsteuer-Vorlage dürfte dem linken Lager Schub verleihen für kommende Debatten in der Steuerpolitik. Die SP sammelt aktuell Unterschriften gegen die Verrechnungssteuerreform. Über das Thema wird voraussichtlich im Herbst abgestimmt.
Im Abstimmungskampf werden die Gegnerinnen und Gegner wohl erneut argumentieren, dass weitere "Milliardensubventionen für das Kapital" fehl am Platz seien. Gleichzeitig bekämpft die Linke die Erhöhung des Frauenrentenalters. Auch zu dieser Vorlage dürfte das Stimmvolk im Herbst das letzte Wort haben.
Für die Befürworter der AHV-Reform dürfte der heutige Abstimmungssonntag ein Warnruf sein. Mit der Unterstützung von Bundesrat und Parlament ist es an der Urne nicht getan.