Im vergangenen Jahr kauften Investoren aus der Volksrepublik in Europa insgesamt 119 Unternehmen. Das waren 20 Unternehmen weniger als ein Jahr zuvor, und im längerfristigen Trend fast 200 Übernahmen weniger als im Rekordjahr 2016, wie EY am Dienstag mitteilte.
Nach EY-Schätzung sind auch die Investitionssummen ganz erheblich geschrumpft: 2023 waren es noch zwei Milliarden Dollar, weniger als halb so viel wie 2022. EY wies jedoch ausdrücklich darauf hin, dass die Kaufpreise bei der Mehrheit der chinesischen Firmenkäufe und -beteiligungen in Europa unbekannt sind.
Neben der Schweiz fielen auch Deutschland und und Österreich auf niedrigem Niveau leicht aus dem Rahmen, weil die Zahl chinesischer Übernahmen und Beteiligungen sogar zulegte: In Deutschland zählte EY 28 chinesische Firmenkäufe, zwei mehr als im Vorjahr. In Österreich wurden zwei Firmen von Chinesen übernommen, 2022 war es lediglich eine.
Trendwende im Jahr 2017
Auf dem Höhepunkt des kurzlebigen chinesischen Investmentbooms im Jahr 2016 hatte EY die Ausgaben chinesischer Investoren für Unternehmenskäufe in Europa auf fast 86 Milliarden Dollar geschätzt. Seit der Trendwende 2017 gehen sowohl die Zahl der Firmenübernahmen als auch die investierten Summen kontinuierlich zurück.
Fachleute sehen dafür mehrere Gründe: Die Pekinger Führung bremst seit einigen Jahren Kapitalabflüsse aus China ins Ausland, hinzu kommen die politischen Spannungen zwischen China und der westlichen Welt, in jüngster Zeit auch die im Vergleich zu vergangenem Rekordwachstum schwache chinesische Konjunktur.
Misstrauen gegenüber europäischen Firmen
Einen Grund für die Entwicklung sieht EY-Fachfrau Sun Yi in politischem Misstrauen, dem chinesische Firmen in Europa begegnen: «Potenzielle chinesische Investoren prüfen sehr sorgfältig, ob die Wahl bestimmter Übernahmekandidaten zu Widerstand bei Regierungen und zu Diskussionen in der Öffentlichkeit führen könnten», sagte die Leiterin der China Business Services für Westeuropa.
Für die nächsten Jahre erwartet die EY-Expertin eher hohe Investitionen chinesischer Unternehmen in den Bau eigener Fabriken in Europa als grosse Firmenübernahmen. Für chinesische Auto- und Batteriehersteller seien Ungarn, Spanien, Frankreich und die nordeuropäischen Länder wegen niedriger Energiekosten, höherer Subventionen und schneller Genehmigungsprozesse besonders attraktive Investitionsstandorte. «Deutschland wird hier nicht bevorzugt.»