Im ersten vollen Jahr nach Beginn des Konflikts könnte ausserdem die globale Inflation um fast 2,5 Prozentpunkte ansteigen, teilte die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) am Donnerstag in Paris mit. Die Auswirkungen der Schocks seien von Region zu Region unterschiedlich, wobei die europäischen Volkswirtschaften insgesamt am stärksten betroffen sind - insbesondere diejenigen, die eine gemeinsame Grenze mit Russland oder der Ukraine haben.
Ein wesentliches wirtschaftliches Risiko bestehe darin, dass die Energieexporte aus Russland in die EU vollständig ausfallen könnten. Wenn dies zu einer dauerhaften Rückkehr zu Preisen wie zu Beginn des Krieges führe, würde dies die Inflation in Europa um weitere 1,25 auf insgesamt mehr als 3,5 Prozentpunkte erhöhen. Das europäische Wachstum würde sich in diesem Fall um mehr als 0,5 Prozentpunkt verringern, ergab die OECD-Analyse.
Wirtschaftskrise droht in einigen Ländern
Als weitere Folge des Kriegs bestehe neben der akuten Gefahr von Wirtschaftskrisen in einigen Ländern auch die von humanitären Katastrophen mit einer starken Zunahme von Armut und Hunger, erklärte die OECD. Ein Stopp der Weizenexporte aus Russland und der Ukraine führe in vielen Schwellen- und Entwicklungsländern zu Engpässen.
Durch die Unterbrechung der Düngemittelproduktion bestehe die Gefahr, dass die Unterbrechungen länger anhalten, da die Agarversorgung der nächsten Jahre unter Druck gerate. Viele Länder des Nahen Ostens seien zu rund 75 Prozent auf Weizen aus Russland und der Ukraine angewiesen.
Kosten für Flüchtlinge könnten BIP-Wachstum verlangsamen
Eine Herausforderung sei das Bewältigen der Flüchtlingsbewegung aus der Ukraine. Im ersten Jahr könne die Aufnahme von drei Millionen Flüchtlingen zu direkten Kosten von mindestens 0,25 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) in der EU führen, in den grossen Aufnahmestaaten sogar noch viel mehr. Die anfänglichen Kosten seien zwar für die EU als Ganzes überschaubar, aber für die einzelnen Nachbarländer nur schwer zu leisten. Daher riet die OECD zu einer EU-Unterstützung für die wichtigsten Aufnahmeländer.
Als Langfristfolge nannte die OECD eine mögliche Fragmentierung der Zahlungssysteme und Veränderungen in der Währungszusammensetzung der Devisenreserven. Der SWIFT-Ausschluss russischer Banken könnte die Entwicklung von Alternativen beschleunigen. Dies würde die Effizienzgewinne aus einem einzigen globalen System schmälern und möglicherweise die dominierende Rolle des US-Dollars auf den Finanzmärkten und im internationalen Zahlungsverkehr verringern.