Immer mehr Unternehmen glauben an die Kraft von Social-Media-Trends und schichten ihr Werbebudget in Influencer-Kampagnen um. Oft geht dies auf Kosten von Plakaten, TV-Spots oder Zeitungsanzeigen.
«Die Nachfrage nach Influencer-Werbung ist in den letzten Jahren sowohl international als auch in der Schweiz stark gewachsen», sagt Anna Zakharova, Marketing-Dozentin an der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften, zur Nachrichtenagentur AWP. Vor allem die Generation Z und die Millennials wolle man damit erreichen.
Empfehlungen von Influencern eignen sich laut der Expertin vor allem für schnelllebige Produkte wie Lebensmittel. Hier würden Kaufentscheidungen häufig emotional und impulsiv getroffen, «oft inspiriert durch die persönliche Empfehlung oder Vorbildfunktion einer vertrauten Person aus den sozialen Medien».
Unilever will 20 Mal mehr Influencer
Der internationale Influencer-Werbemarkt wird laut dem Datenportal Statista dieses Jahr auf rund 39 Milliarden Dollar geschätzt, 2015 lag er noch bei weniger als 2 Milliarden. Der neue Chef des Konsumgütergiganten Unilever mit der Marke Knorr will künftig etwa 20 Mal mehr Influencer anheuern, um dem Marketing einen Schub zu verleihen.
In der Schweiz ist der Markt für Influencer-Werbung noch kleiner: Dort rechnet Statista für 2025 mit einem Volumen von 121 Millionen Dollar und Wachstumsraten von jährlich rund 6 Prozent bis 2030. Das ist angesichts des gesamten Werbemarkts mit Umsätzen von über 4 Milliarden Franken ein kleiner Teil.
Lindt glaubt an Dubai-Boost
Allerdings setzen auch die meisten hiesigen Unternehmen auf die Zusammenarbeit mit «Creators». Gute Erfahrungen hat etwa Lindt & Sprüngli damit gemacht.
Der Schokoladenhersteller produziert seit vergangenem Jahr eine Version der gehypten Dubai-Schokolade, eine Kreation aus Pistazien und Kadayif, die von Influencern angepriesen wird. Dies soll laut Lindt-Chef Adalbert Lechner auch im laufenden Jahr für steigende Umsätze sorgen.
Auch der Lebensmittelriese Nestlé arbeitet mit Influencern zusammen. Damit könne man bestimmte Zielgruppen besser erreichen, sagt eine Sprecherin von Nestlé Schweiz. Ähnliches berichten die Detailhändler Migros, Coop, Aldi und Lidl Schweiz sowie die Getränkehersteller Rivella und Ramseier.
Einen anderen Weg geht der Milchverarbeiter Emmi. Dieser setzt bei seinen «Schüttelkaffees» nicht auf punktuelle Influencer-Kampagnen, sondern auf langfristige Kooperationen: Als Markenbotschafterinnen hat Emmi Promis aus dem Sport wie die Skirennfahrerin Wendy Holdener oder die Fussballerin Lia Wälti engagiert. Damit will man Kunden längerfristig an die Marke binden.
Selten nachhaltiges Umsatzwachstum
In der Tat sind einzelne Instagram-Posts laut Influencer-Expertin Zakharova schnell vergessen: «In der Schweiz sind virale Erfolge durch Influencer-Marketing bislang eher selten». Oft sei Influencer-Marketing kein kontinuierlicher Bestandteil der Kommunikationsstrategie.
Dies räumen auch die Unternehmen ein. Die Kampagnen hätten zwar das Potenzial, kurzfristige Umsatzsteigerungen zu generieren. «Ein nachhaltiges Wachstum lässt sich daraus aber nicht grundsätzlich ableiten», heisst es etwa bei Coop.
Zumal es auch Risiken gibt. Die Zusammenarbeit mit einer Social-Media-Persönlichkeit kann zu einem Shitstorm führen, also zu massiver öffentlicher Kritik in den sozialen Medien.
Dies musste beispielsweise der Bierkonzern Anheuser-Busch Inbev nach einer Kooperation mit einer Transgender-Influencerin feststellen: Er verlor daraufhin in den USA prompt den Spitzenplatz als meistverkaufte Biermarke.
Followerzahlen lassen sich kaufen
Auch fehlende Transparenz sei ein Problem, sagt Zakharova. «Followerzahlen und Engagement-Raten lassen sich mittlerweile einfach kaufen».
Vonseiten der Influencer-Vertreter heisst es, man müsse seine «Content Creators» daher sorgfältig auswählen. Ganz sicher könne man aber auch dann nicht sein, sagt die Marketingagentur Kingfluencers. Denn: «Influencer sind Menschen, und Menschen machen Fehler.»
Eine langfristige Werbestrategie, die auf verschiedene Medien und Kanäle setzt, könnte sich für Unternehmen also weiterhin lohnen - fernab von Hypes und Klicks.