Im Betrugsprozess um manipulierte Dieselmotoren bei Audi will das Landgericht München am Dienstag (09.15 Uhr) das Urteil gegen den ehemaligen Vorstandschef Rupert Stadler und seine beiden Mitangeklagten verkünden. Alle drei haben gestanden.
Der erste Strafprozess um den Dieselskandal des Volkswagen-Konzerns in Deutschland hat zwei Jahre und neun Monate gedauert. Stadler hatte lange seine Unschuld beteuert. Erst nach dem Hinweis des Gerichts auf eine drohende Gefängnisstrafe gestand der 60-Jährige, nach dem Auffliegen des Skandals 2015 in den USA den Verkauf von Autos mit manipulierten Abgaswerten in Europa viel zu spät gestoppt zu haben: Angesichts der Hinweise auf Tricksereien auch bei den europäischen Modellen hätte er als Vorstandschef sorgfältiger sein, für Aufklärung sorgen und eingreifen müssen.
Nach Einschätzung des Gerichts hat er damit den ihm vorgeworfenen "Betrug durch Unterlassen" gestanden. Nach einer Absprache zwischen Gericht, Staatsanwaltschaft und Verteidigung kann Stadler bei Zahlung von 1,1 Milllionen Euro am Dienstag mit einer Verurteilung zu einer Bewährungsstrafe zwischen anderthalb und zwei Jahren rechnen.
Die Mitangeklagten
Stadler ist als ehemaliger Audi-Chef und Mitglied des VW-Konzernvorstandes der prominenteste Angeklagte. Schwerer wiegen aber die Vorwürfe gegen die beiden Mitangeklagten: den ehemaligen Leiter der Audi-Motorenentwicklung Wolfgang Hatz und den leitenden Ingenieur P. Nach vorläufiger Bewertung des Gerichts hatten sie und der ursprünglich mitangeklagte Ingenieur L. dafür gesorgt, dass unzulässige Abschalteinrichtungen bei der Abgasreinigung in die Motoren eingebaut wurden.
Der Anfang des Betrugs
Das Trio soll grosse Dieselmotoren für rund 400'000 Autos von Audi, Volkswagen und Porsche ab 2008 so manipuliert haben, dass sie Abgastests bestanden, aber auf der Strasse mehr Stickoxid ausstiessen als erlaubt. Ziel war es, sich den nachträglichen Einbau grösserer Adblue-Tanks für die Abgasreinigung zu sparen, nachdem sich die Techniker des Konzerns verrechnet hatten. P. soll von seinen Mitarbeitern "intelligente Lösungen" gefordert haben, um die kaum erfüllbaren Erwartungen von oben zu erfüllen.
Der geständige Ingenieur L. war als Kronzeuge aufgetreten, das Verfahren gegen ihn wurde eingestellt. Hatz und P. legten ebenfalls umfassende Geständnisse ab. Das Gericht hat ihnen Bewährungsstrafen in Aussicht gestellt, bei Zahlung von 400 000 beziehungsweise 50 000 Euro als Bewährungsauflage. Die Staatsanwaltschaft stimmte dem im Falle des Ingenieurs P. im Rahmen einer Verständigung zu, aber für Hatz forderte sie eine Gefängnisstrafe von drei Jahren und zwei Monaten ohne Bewährung.
Der Schaden
Angesichts der sehr langwierigen Beweisaufnahme - der Prozess begann schon im September 2020 und dauerte 172 Verhandlungstage - erwarten Beobachter eine sehr umfangreiche Urteilsbegründung durch den Vorsitzenden Richter Stefan Weickert. Darin wird er sich auch zur Höhe des Schadens äussern, den die drei Angeklagten zu verantworten haben. Die Anklage hatte den von Hatz und P. zu verantwortenden Schaden noch auf bis zu 3,1 Milliarden Euro beziffert, in ihren Plädoyer aber um ein Drittel reduziert. Stadler soll laut Staatsanwalt für 69 Millionen Euro Schaden verantwortlich sein.
Mildernde Umstände
Stadler, Hatz und P. hatten jeweils mehrere Monate in Untersuchungshaft gesessen. Die Haftbefehle gegen sie bestehen seit über fünf Jahren und wurden nur unter Auflagen ausser Vollzug gesetzt. Bei einer Verurteilung müssen die Angeklagten auch die Verfahrenskosten samt Gutachten und Zeugenauslagen tragen, in Summe über eine Million Euro. Dazu kommen Anwaltshonorare für viele tausend Stunden. Stadler hatte dem Volkswagen-Konzern im Zuge eines Vergleichs bereits 4,1 Millionen Euro Schadenersatz wegen Pflichtverletzung gezahlt.
Die Staatsanwaltschaft hatte in ihrem Plädoyer betont, dass sie die Angeklagten nicht als die Hauptverantwortlichen für den Dieselskandal sieht. Es sei überhaupt zweifelhaft, ob es überhaupt den oder die Hauptverantwortlichen geben könne, "wenn im Unternehmen so viele Beteiligte in die falsche Richtung laufen".
Weitere Prozesse
In Braunschweig stehen seit September 2021 vier frühere Topmanager des Volkswagen-Konzerns wegen möglichen Betrugs in der Dieselaffäre vor Gericht. Das Verfahren gegen den vormaligen VW-Konzernchef Martin Winterkorn liegt aber krankheitsbedingt auf Eis.
Die Münchner Staatsanwaltschaft hat schon 2020 vier weitere ehemalige Audi-Manager angeklagt - drei ehemalige Vorstandskollegen Stadlers und den langjährigen Leiter der Hauptabteilung Dieselmotoren bei Audi. Ob und wann dieser Prozess beginnt, ist noch offen.