Frauen sind auf dem Arbeitsmarkt auch heute noch benachteiligt. Die amerikanische Professorin Claudia Goldin hat als eine der ersten die Hintergründe analysiert. Nun bekommt sie dafür den Wirtschaftsnobelpreis - als erst dritte Frau überhaupt.
Für ihre Forschung zur Rolle von Frauen auf dem Arbeitsmarkt wird die US-Ökonomin Claudia Goldin mit dem diesjährigen Nobelpreis für Wirtschaftswissenschaften ausgezeichnet. Das gab die Königlich-Schwedische Akademie der Wissenschaften am Montag in Stockholm bekannt.
Die 77-jährige Goldin habe die wichtigsten Treiber für Geschlechterunterschiede in der Arbeitswelt aufgedeckt, würdigte die Akademie. Goldin habe den ersten umfassenden Beitrag über das Einkommen und die Teilhabe von Frauen auf dem Arbeitsmarkt im Laufe der Jahrhunderte geliefert, sagte der Vorsitzende des zuständigen Nobelkomitees, Jakob Svensson.
Ihre Forschung decke zum einen die Ursachen des Wandels auf, zum anderen aber auch die Hauptursachen für die noch immer verbleibende Kluft zwischen den Geschlechtern. "Frauen sind auf dem globalen Arbeitsmarkt erheblich unterrepräsentiert und verdienen, wenn sie arbeiten, weniger als Männer", stellte die Akademie fest.
In New York geboren
Goldin wurde 1946 in New York geboren. Sie ist Professorin an der Elite-Universität Harvard und erst die dritte Frau, die den Wirtschaftsnobelpreis erhält. Unter den vorherigen 92 Preisträgern waren mit Elinor Ostrom 2009 und Esther Duflo 2019 erst zwei andere Wissenschaftlerinnen gewesen.
Goldin ist die allererste Frau, die als Einzelpreisträgerin in der Kategorie auserkoren wurde: Häufig geht der Wirtschaftsnobelpreis an mehrere Ökonomen zugleich, die zum Beispiel im selben Forschungsfeld tätig gewesen sind. So war es auch bei Ostrom und Duflo der Fall.
Sie sei «überrascht und sehr, sehr froh» gewesen, als er ihr vor der offiziellen Bekanntgabe von ihrer Auszeichnung berichtet habe, sagte der Generalsekretär der Akademie, Hans Ellegren. Sie telefonisch zur Preisbekanntgabe zuzuschalten, glückte diesmal nicht.
In der Fachwelt gab es viel Zuspruch für die Auszeichnung von Goldin. Sie habe wesentlich dazu beigetragen, dass die Frau im Arbeitsmarkt, in der Ökonomie sichtbar wurde, kommentiert Isabel Martínez, Ökonomin bei der Konjunkturforschungsstelle KOF der ETH Zürich, die Wahl. «Unter anderem Dank Goldins Arbeiten haben wirtschaftliche Akteure auch ein soziales Geschlecht, mit all den Eigenschaften, das dieses mit sich bringt.»
Das möge heute trivial klingen, aber diese differenzierte Blickweise sei nötig gewesen, um überhaupt über Geschlechterunterschiede, die Berücksichtigung familiärer Pflichten oder flexiblere Arbeitsbedingungen zu diskutieren und erforschen zu können, sagte Martínez weiter.
«Goldin hat mit ihren Arbeiten unser Verständnis zu mehr Gleichberechtigung am Arbeitsplatz wesentlich erweitert», sagte ausserdem Achim Wambach, Präsident des Mannheimer Wirtschaftsforschungsinstituts ZEW. Experte Sascha Steffen von der Frankfurt School of Finance & Management kommentierte: «Besonders bemerkenswert sind ihre Erkenntnisse über das anhaltende Lohngefälle zwischen den Geschlechtern. Goldins Beiträge bilden eine wichtige Grundlage für politische Entscheidungen und künftige Forschungen.»
Kein klassischer Nobelpreis
Der Wirtschaftsnobelpreis ist der einzige der Nobelpreise, der nicht auf das Testament von Dynamit-Erfinder und Preisstifter Alfred Nobel (1833-1896) zurückgeht. Er wird seit Ende der 1960er Jahre von der schwedischen Reichsbank gestiftet und zählt somit streng genommen nicht zu den klassischen Nobelpreisen. Trotzdem wird er gemeinsam mit den weiteren Auszeichnungen an Nobels Todestag, dem 10. Dezember, feierlich überreicht.
Bereits in der vergangenen Woche waren die Nobelpreisträgerinnen und -preisträger in den Kategorien Medizin, Physik, Chemie, Literatur und Frieden gekürt worden. Alle Nobelpreise sind in diesem Jahr mit elf Millionen schwedischen Kronen (rund 908'00 Franken) pro Preiskategorie dotiert, das ist eine Million mehr als in den Vorjahren.
Im vergangenen Jahr waren der frühere US-Notenbankchef Ben Bernanke und die ebenfalls amerikanischen Ökonomen Douglas Diamond und Philip Dybvig mit dem Wirtschaftsnobelpreis ausgezeichnet worden. Sie wurden damit für ihre Erforschung von Banken und Finanzkrisen geehrt.
(awp/mth)