Auf Schweizer Strassen sind im vergangenen Jahr 1181 Motorradfahrer schwer verunfallt – 55 davon tödlich. Das sind zwar 19 Tote beziehungsweise 3 Prozent Schwerverletzte weniger als im Vorjahr. Für Motorradfahrer ungünstige Witterungsbedingungen beeinflussten diese positive Schadenentwicklung ebenso wie der verbesserte, schnellere und kompetentere Einsatz der Rettungsdienste. Noch immer aber gibt es zu viele Opfer – Tote wie Verletzte.
Einen nicht zu unterschätzenden Beitrag zur Unfallverhütung oder zur Eindämmung der Schäden leisten die Motorradhersteller. Diese verbessern permanent mit innovativen Entwicklungen die Sicherheit der Töfffahrer. Vor 25 Jahren erstmals lanciert, gehört das Antiblockiersystem ABS heute mit wenigen Ausnahmen zur Serienausstattung jedes neuen Bikes. Weitere Fahrassistenzsysteme wie Traktionskontrollen, Leistungsmodi, semiaktive Fahrwerke und Reifendruck-Kontrollsysteme sind zusätzliche Massnahmen zur Sicherheitsoptimierung.
Selbst der Motorrad-Airbag ist nicht komplett neu. Seit 1999 rüstet Honda den Komforttourer GL1800 Gold Wing auf Wunsch damit aus. Das im Motorrad integrierte Luftkissen bietet dem Fahrer jedoch lediglich bei einer Frontalkollision einen gewissen Schutz. Gut, aber nicht vollumfänglich überzeugend sind auch Airbag-Jacken, welche durch eine am Fahrzeug festgemachte Reissleine ausgelöst werden. Mit D-Air Street geht Ducati jetzt komplett neue Wege. Das in Zusammenarbeit mit dem italienischen Bekleidungsspezialisten Dainese entwickelte System funktioniert kabellos und wird vorerst als Sonderversion des Allrounders Multistrada 1200S Touring angeboten. Die D-Air-Multi ist 1000 Franken teurer als die technisch identische Version ohne Airbag, die hochwertige Dainese-Goretex-Jacke mit integrierter Airbag-Weste kostet 1990 Franken. 940 Franken günstiger ist die D-Air-Weste, die über verschiedenartige Jacken getragen werden kann.
System muss «scharf» gemacht werden
Das D-Air-System von Ducati ist komplex. Sensoren an der Vordergabel und im Heck des Motorrades berechnen permanent eine Vielzahl von Parametern, welche – um Fehlfunktionen zu vermeiden – nach verschiedensten Kriterien untereinander abgeglichen werden. Die auslösenden Impulse werden über zwei bi-direktionale Radiofrequenzen an den Empfänger der Weste übermittelt, welcher – wie das System im Motorrad – vor jedem Start zuerst «scharf» gemacht werden muss. Mit 1 Kilogramm fällt D-Air am Motorrad weniger spürbar ins Gewicht als das rund 1,5 Kilogramm schwere, eingezippte Airbag-Insert der Jacke.
Verblüffend ist die Reaktionszeit von D-Air. Bereits nach 5 Millisekunden (ms) registrieren die Sensoren eine unnatürliche Verzögerung oder anderweitige unnatürliche Fahrsituation. Nach 12 ms wird dies als Unfall analysiert, und nach 25 ms geht der drahtlose Impuls an die Weste zum Auslösen der beiden im unteren Rückenteil der Weste integrierten Gaskartuschen. 45 ms nach der ersten Wahrnehmung sind die integrierten Airbags vollständig gefüllt. Zum Vergleich: Ein Wimpernschlag dauert 400 ms.
Eindrücklicher ist es, die Wirkung mit manueller Auslösung als Demonstration am eigenen Leib zu erfahren. Ein lauter Knall und gleichzeitig ein harter Druck auf Brust, Rücken und Schulterpartie – schlagartig ist man in eine feste, rund 10 Zentimeter dicke Luftschicht eingepackt. Der Luftdruck im Airbag entspricht in etwa dem eines Motorradreifens. Er entweicht erst nach rund 5 Minuten allmählich. Nach dem Auslösen muss die Weste zur Wiederaufbereitung ins Werk, was rund 380 Franken kosten soll.
Die Feuertaufe hat D-Air im Motorrad-Rennsport mehrfach bestanden. Ausnahmslos alle mit Dainese-Bekleidung ausgerüsteten Moto-GP-Fahrer vertrauen auf das Airbag-System. Der Mailänder Chirurg und Trauma-Spezialist Osvaldo Chiara attestierte dem System eine «drastische Reduktion der Unfallfolgen für Motorradfahrer».
Unfallbilanz
- 17 472 Unfälle mit Personenschaden gab es 2013 auf den Schweizer Strassen insgesamt.
- 269 Menschen wurden 2013 bei diesen Unfällen getötet, 70 weniger als im Vorjahr.
- 55 Motorradfahrer mussten ihr Leben lassen auf der Strasse, 19 weniger als Im Vorjahr. Grund: Das schlechte Wetter schränkte den Gebrauch der Motorräder ein.