Es gibt viele Storys in der Automobilhistorie, die Hollywoodformat haben. Die Geschichte von Alfa Romeo gehört zu den besten – beinhaltet sie doch Triumphe, Tragödien, Dolce Vita mit Liebe, Eifersucht, Sex und Wahnsinn. Kurz: das gesamte Repertoire menschlicher Gefühle. Es machte die Marke selbst in Phasen unsterblich, in denen sie eigentlich schon mausetot war.
Die Anfänge waren eher unscheinbar: 1906 als Dependance der französischen Marke Darracq in Mailand gegründet, ging die Mehrheit der italienischen Zweigstelle nach 1909 in den Besitz regionaler Geschäftsleute über, die den Bau eigenständiger Automobile forcierten. 1910 kam es zur Umfirmierung, man nannte sich fortan A.L.F.A. (Società Anonima Lombarda Fabbrica Automobili). Das «Romeo» kam 1920 dazu, nachdem Rüstungsmagnat Nicola Romeo die mittelständische Firma übernommen und daraus einen Konzern mit mehreren tausend Mitarbeitern geformt hatte.
Neue Baureihen der Marke gehörten nicht nur zu den besten und teuersten Autos ihrer Zeit, sondern machten sich auch auf den berühmtesten Rennstrecken einen Namen: 1927 gewann Alfa Romeo gar die erstmals ausgetragene Automobilsport-Weltmeisterschaft – ein Titel, der die Legende bis heute nährt.
Milliarden gegen das Siechtum
In der Marken-Nomenklatura besitzt eine Modellbezeichnung eine besondere Bedeutung: die Giulia. 1962 erstmals lanciert, spielte man gekonnt mit den Namen der Protagonisten aus Shakespeares Drama – und schuf mit höchst sportlichen Zwei- und Viertürern eine der schönsten Auto-Mensch-Romanzen, die es je gab.
Doch 1978 wurde die letzte vierrädrige Geliebte sang- und klanglos zu Grabe getragen, verstorben vor lauter Gram über ihren unsensiblen Latin Lover, dem alle Sinne für Erotik und das Geschäft abhandengekommen waren. Das Ableben hatte für die gesamte Firma Folgen, denn sie erkrankte; die übelsten Viren hiessen Qualità miserabile und Insignificanza. Die Übernahme durch Fiat 1986 beschleunigte das Siechtum noch. Als dann das «cuore sportivo» vor wenigen Jahren einmal mehr kurz vor dem Infarkt stand, bot sich Volkswagen selbstlos als Intensivstation an.
Alfas allerletztes Genesungsrezept
Vielleicht war es genau dieses Übernahmeszenario, das Fiat-Chrysler-CEO Sergio Marchionne den grössten Stich versetzte. «Nur über meine Leiche», soll er geraunt haben, bevor er eine milliardenteure, bis 2018 reichende Rehabilitation anordnete.
Das Ergebnis dieses Kraftakts, 2013 in Form des Kleinserien-Imageträgers 4C gestartet, ist so etwas wie Alfas allerletztes Genesungsrezept. Es manifestiert sich derzeit in einer komplett neuen, athletischen, viertürigen Schönheit, die althergebrachte Breitensport-Rivalen allein mit Charme bezwingen soll – allen voran BMW.
Topmodell mit Sportmotor
So erstaunt es nicht, dass die zum Erfolg verdammte jüngste Giulia optisch dem bayrischen Bestseller ähnelt und auf Dreier macht: Vor allem seitlich sind die Gemeinsamkeiten nicht zu übersehen. Das stört aber kaum, denn es bleibt genug Italianità übrig – mit einer markanten Bugpartie und knackigen Proportionen, die Leidenschaft versprechen. 4,64 Meter lang, wird es neben der viertürigen Variante auch einen Kombi geben.
Subtiles Anbandeln ist jedoch passé: Als erste plumpe Anmache lockt das Quadrifoglio-Topmodell mit 20-Zöllern, Allradantrieb und 510 PS aus einem auf sechs Zylinder und drei Liter Hubraum gestutzten Ferrari-Maserati-Aggregat, das einen Spurt von 0 auf 100 Stundenkilometer in 3,9 Sekunden und Tempo 300 plus ermöglicht.
Das klingt vielversprechend. Aber auch in den bisher erhältlichen Basisversionen, etwa mit dem 180-PS-Diesel, überzeugt die Giulia: Der Motor zieht kernig an, das Fahrwerk ist straff und sportlich ausgelegt. Jetzt müssen nur noch Verarbeitung und Wiederverkaufswert endlich dauerhafte Standfestigkeit nachweisen. A dopo, Bella!