Das Präfix «Retro», besagt der Fremdwörter-Duden, steht für «hinter, rückwärts, zurück». Retroaktiv meint rückwirkend, retrograd bedeutet rückläufig, retrovertieren und retrospektiv lassen sich mit «rückblickend» eindeutschen. Kurzum, die Silbe bezieht sich jeweils auf die Vergangenheit. Auch für die Uhrenbranche ist die Vergangenheit ein hochaktuelles Thema. Wie Blicke in die aktuellen Uhrenkollektionen zeigen. Neben extrem modernen, nahezu futuristisch anmutenden Designs ist der sogenannte Retro-Look eine feste Grösse im chronometrischen Geschehen.

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Wenn die Zukunft angesichts von konjunkturellen Sorgen, Klimawandel und sonstigen Verwerfungen eher ungewiss erscheint, ist Nostalgie angesagt, eine Rückbesinnung auf glanzvolle Epochen, welche Geschichte geschrieben haben.

Die – wie auch immer geartete – Auseinandersetzung mit dem «Retro» erfordert also beinahe zwangsläufig einen Blick in die eigene Vergangenheit oder ganz allgemein in die Historie der Spezies Armbanduhr. Und da stösst man auf ungemein viel Stoff, der in neuen Modellen seinen Niederschlag finden kann. Das «Retro» besitzt also mehrere Facetten. Da gibt es zum einen authentische Modelle, basierend auf Uhren, welche es tatsächlich einmal gab und die ihre Renaissance in möglichst originalgetreuer Ausprägung erleben dürfen. Dass der Durchmesser um einige Millimeter wächst, dass die Schalen wasserdicht sind und dass sich über dem Zifferblatt Saphir- statt Plexiglas wölbt, tut dabei ebenso wenig zur Sache wie die Verwendung zeitgemässer Uhrwerke. Die Zeit ist halt nicht stehen geblieben. Und Absolutisten können ja gerne auf die Originale zurückgreifen.

Jaeger-LeCoultre Liebhaber derart reinrassiger Retro-Looks kommen bei der Memovox Tribute to Deep Sea von Jaeger-LeCoultre voll auf ihre Kosten. Technisch handelt es sich um einen Zeitmesser mit Alarmfunktion. Seine erfolgreiche Premiere ging 1959 über die Bühne. Das Original gab es in zwei Versionen mit unterschiedlichen Zifferblättern für den alten Kontinent sowie die Neue Welt jenseits des Atlantik. Bei den originalgetreuen Re-Editionen wuchs der Gehäusedurchmesser marginal von 39,8 auf 40,5 Millimeter. In den Stahlgehäusen mit Plexiglas tickt die Manufaktur-Automatik 956 mit 4 Hertz Unruhfrequenz und 45 Stunden Gangautonomie. Von der europäischen Jaeger-LeCoultre Classique 1959 wird die Traditionsmarke 959 Exemplare fertigen, die Produktion der LeCoultre Spécial Amérique 1959 beschränkt sich auf 359 Stück.
www.jaeger-lecoultre.com


Girard-Perregaux Das Original der leicht rechteckigen Vintage 1945 von GP debütierte, wie der Modellname unzweifelhaft erahnen lässt, nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs. Opulenz am Handgelenk war damals noch kein Thema. Die Gehäuse fielen eher klein aus. Dass sich heutzutage damit nur noch wenig Staat machen lässt, mag sich fast von selbst verstehen. Passend zu unserer Epoche hat die Traditionsmanufaktur GP ihrem Klassiker neue Dimensionen verliehen. Die rotgoldene oder wahlweise auch stählerne Schale misst 35,25 × 36,20 Millimeter und verleiht dem flachen Automatikkaliber GP 3300 würdevollen Schutz. Das bombierte Zifferblatt mit Kleiner Sekunde bei der 6 huldigt ebenfalls vergangenen Tagen.
www.girard-perregaux.com

Hamilton Man schrieb das Jahr 1969, als eine Arbeitsgemeinschaft, zu der Breitling, Büren, Dubois-Dépraz, Hamilton und Heuer gehörten, den weltweit ersten Modul-Chronographen mit Selbstaufzug durch einen Mikrorotor vorstellte. 1971 präsentierten die Amerikaner, welche Büren 1966 gekauft hatten, einen Armband-Chronographen, in dem besagtes Kaliber 11 tickte und der den Namen Pan Europ erhielt. An dieses Jahr und den markanten, exakt zum Stil der Zeit passenden Stopper erinnert Hamilton mit einem augenfälligen Retro-Modell. Fensterdatum bei der 6, 30-Minuten-Zähler bei der 3 und eine Tachymeterskala rund um das blaue Zifferblatt-Zentrum entsprechen ebenso dem Original wie das tonneauförmige Edelstahlgehäuse mit blauem Glasrand. Neu sind hingegen bei der auf 45 Millimeter vergrösserten Schale die Wasserdichtigkeit bis 10 Atmosphären, das kratzfeste Saphirglas und das Automatikkaliber H31, welches Hamilton eigens bei der Schwester ETA in Auftrag gab.
www.hamiltonwatch.com

Longines Die Swatch-Tochter gehört zu den Pionieren der funktionalen Piloten-Zeitmesser, wie die legendäre Lindbergh aus den 1930er-Jahren beweist. In den 1950er-Jahren belieferte Longines die nationale Fluggesellschaft Swissair. Diese Pilotenuhr kehrt nun zurück in Gestalt der Twenty-Four Hours, ein 47,5 Millimeter grosser Edelstahl-Zeitmesser mit schwarzem 24-Stunden-Zifferblatt. Uhren dieser Art lösen bei Uneingeweihten oft ungläubiges Staunen aus, denn mittags steht der Stundenzeiger im «Süden» des Zifferblatts. Das Ablesen ist also gewöhnungsbedürftig. Für die Schweizer Traditionsmarke ist Mechanik eine Selbstverständlichkeit. Ganz konkret findet das 16½-linige Automatikkaliber L.704.2 auf ETA-Basis Verwendung. Seine Merkmale: 48 Stunden Gangautonomie, 4 Hertz Unruhfrequenz und Fensterdatum.

Die andere Seite der Medaille markieren Armbanduhren, welche zwar gestalterisch an Überliefertes knüpfen, aber die Gegenwart doch mehr oder minder stark einbeziehen. Neoklassizismus dieser Art gewinnt mehr und mehr an Boden. Dieser Trend belegt einen unstillbaren Hang zu klassischen Ausdrucksformen, welche sich nie überleben und durch avantgardistische Akzente besondere Attraktivität gewinnen.
www.longines.com

Rolex/Tudor Die Genfer Manufaktur hält das Design-Erbe des Firmengründers Hans Wilsdorf konsequent hoch. Aber auch die Rolex-Tochter Tudor hat ihre Wurzeln neu entdeckt. Mit dem neuen Heritage Advisor blickt sie zurück ins Jahr 1957. Damals erinnerte das Original mit 34-Millimeter-Stahlgehäuse lautstark ans Aufstehen. Verwendung fand das 11-linige Handaufzugskaliber AS 1475. 2011 schreitet die stilistische Neuausrichtung der Marke voran. Der Heritage Advisor folgt auf den Heritage Chrono des Jahres 2010. Getreu der Tudor-Philosophie gibt es kein eigenes Uhrwerk. Ausdruck eines moderaten Zeitenwandels ist jedoch die Verwendung eines exklusiv entwickelten und gefertigten Alarmmoduls, das Platz findet auf der Vorderseite einer ETA-Automatik. Vom Zifferblatt lassen sich neben der Zeit auch die Gangreserve und der Schaltzustand sowie bei der 6 das per Zeiger dargestellte Datum ablesen. Gewachsen ist der Durchmesser des bis 10 Atmosphären wasserdichten Stahlgehäuses. 42 Millimeter sind ein Tribut an unsere Epoche.
www.tudorwatch.com

Zenith Die traditionsreiche Schweizer Manufaktur läutete 1952 ihr Automatik-Zeitalter ein. Dazu passend entstand die neue Uhrenlinie Captain. Zur «BaselWorld 2011» bringt Zenith ein Remake heraus, das Designelemente der beliebten 1950er-Jahre aufgreift, aber ansonsten technische und gestalterische Eigenständigkeit demonstriert. Dazu gehört neben der Verwendung von Saphirgläsern vorne und hinten auch der auf zeitgemässe 40 Millimeter angehobene Gehäusedurchmesser. Als die Captain debütierte, misstrauten viele Menschen der Zuverlässigkeit des Selbstaufzugs. Einen Ausweg aus dem Dilemma brachte die Gangreserveanzeige. Sie zeigte den Spannungszustand der Zugfeder und belegte unmissverständlich, dass die Schwungmasse ihrer Aufgabe nachkam. Das 4,675 Millimeter hohe Rotor-Kaliber 685 der neuen Captain Power Reserve ist über jeden Funktionsvorbehalt erhaben. Trotzdem findet sich auf dem Zifferblatt die altbewährte Gangreserveanzeige, deren Skala bis zu 50 Stunden reicht. Das Gehäuse gibt es in Rotgold oder Edelstahl.
www.zenith-watches.com

Oris Seit Jahrzehnten ist das sehr nostalgisch anmutende Big-Crown-Programm fester Bestandteil der Oris-Kollektion. Als neues Familienmitglied präsentiert sich in Basel der hinsichtlich seines Designs für diese Linie charakteristische Big Crown X1 Calculator. Seine Edelstahlschale misst 46 Millimeter und widersteht dem nassen Element bis zu 3 Atmosphären Wasserdruck. Die griffige Drehlünette kommt der Bedienung des eingebauten Rechenschiebers entgegen. Die Uhr erinnert an ein Ereignis, das am 14. Oktober 1946 um 10:18 Uhr über die Bühne ging: Den ersten Überschallflug der Bell X-1. Für Funktionalität in puncto Zeit sorgt das bewährte Automatikkaliber ETA 7750 mit Chronograph.
www.oris.com

Alpina An die lange Tradition als Hersteller von Pilotenuhren erinnert die mittlerweile unter dem Dach von Frédérique Constant angesiedelte Alpina. CEO Peter C. Stas war es ein grosses Anliegen, die eher sportiv-abenteuerlich ausgerichtete Uhrenmarke, die jährlich rund 6000 Armbanduhren produziert, auf eine breitere Plattform zu stellen. Von der neuen Ausrichtung kündet die Startimer Pilot Collection, zu der auch ein auf 8888 Stück limitierter Automatik-Chronograph mit Edelstahlgehäuse gehört. Die 46 Millimeter Durchmesser stellen einen Kompromiss dar zwischen den damals üblichen Dimensionen und den gegenwärtigen Trends, sich bei den Massen wieder zu beschränken. Das Uhrwerk mit 30-Minuten-Totalisator, ein modifiziertes SW 500, stammt von Selitta. Für das Zurück zur Fliegeruhr hat Peter C. Stas zwei renommierte Partner gefunden: Cessna Aviation und PrivatAir.
www.alpina-watches.com