Lubna Olayan, eine ehemalige Analystin von J.P. Morgan, kümmert sich um das Nahost-Geschäft des Konglomerats Olayan Group, das 1947 von ihrem Vater gegründet worden war. Mit 15.000 Angestellten und 50 Schwestergesellschaften ist die in Athen ansässige Firma in fast jedem Sektor der saudischen Wirtschaft tätig, darunter Ölfelddienstleistungen, Stahl und Fastfood.
Sie gehöre zu einer geringen Zahl von Frauen «in der Wirtschaftselite der Golfstaaten, die sich als die schlauesten und besonders geeignet herausstellten, und daher von ihren Vätern als Geschäftsführer ausgewählt wurden», erklärt David Butter, Wirtschaftsanalytiker für den Nahen Osten und Fellow am Chatham House in London.
Erste Frau im Vorstand eines saudischen Unternehmens
Die 59-jährige Olayan hilft beim Management von 40 Familien- und Gemeinschaftsunternehmen sowie börsengehandelten saudischen Aktien im Wert von mehr als 4,4 Milliarden Dollar, wie von Bloomberg zusammengestellte Daten zeigen. Im Jahr 2004 war sie die erste Frau, die in den Vorstand seines saudischen Unternehmens gewählt wurde: Saudi Hollandi Bank, an der ein Bereich der Olayan Group einen Anteil von 21,8 Prozent hält.
Während ihrer Amtszeit übernahm das Unternehmen die Durchführung logistischer Dienstleistungen für Saudi Aramco, den grössten Ölexporteur der Welt. Ausserdem erhielt eines der Gemeinschaftsunternehmen den Zuschlag als leitender Entwickler eines Technologiezentrums für das King Abdullah Economic City Projekt ausserhalb von Dschidda.
Durch ein Joint Ventures mit The Weir Group gehört die Firma zu den grössten Rohrausrüstern für Ölfelder des Landes. Ihr Nahrungsmittelbereich ist führender Konzessions-Inhaber für Burger King im Nahen Osten und Nordafrika. Die Konzerngruppe stellt auch Aluminium, Stahl und Plastik her, und ist lokaler Produzent von Kleenex, Coca-Cola und Huggies-Windeln.
Mehr als 10 Milliarden Dollar
Basierend auf den offengelegten Aktienbeständen, Immobilienanlagen und drei der Familiengeschäfte wird Olayan Group mit mehr als 10 Milliarden Dollar bewertet. Das macht die vier Kinder des verstorbenen Firmengründers, Khaled, Hayat, Hutham und Lubna Olayan, sowie seine in Amerika geborene Witwe Mary Perdikis Olayan, zu Milliardären, zeigt der Bloomberg Billionaires Index. Keiner von ihnen ist bislang auf einer internationalen Reichenliste aufgetaucht.
In Saudi-Arabien werden Familienunternehmen oft nach islamischem Recht an die zweite Generation weitergegeben, wobei die Söhne doppelt so viel erhalten wie die Töchter. Nach Aussage einer mit dem Unternehmen vertrauten Person ist es in diesem Fall allerdings wahrscheinlich, dass die Vermögenswerte unter den fünf Begünstigten gleichmässig aufgeteilt wurden.
Tony Kutayli, ein Sprecher der Olayan Group, bestritt die Bewertung und lehnte ab, weitere Einzelheiten zu nennen.
Schwestern treten am meisten in der Öffentlichkeit auf
Alle vier Geschwister sind zwar Vorstandsmitglieder, doch die Schwestern Lubna und Hutham treten am meisten in der Öffentlichkeit auf. Als Vorstandschefin der in Riad ansässigen Nahost-Sparte, Olayan Financing Co., ist Lubna die prominenteste weibliche Führungskraft in einem Land, dessen Erwerbsbevölkerung nur zu 16 Prozent aus Frauen besteht, wie Daten der Statistikbehörde von Saudi-Arabien zeigen.
Lubna Olayan studierte an der amerikanischen Elite-Uni Cornell University und machte ihren MBA an der Indiana University, bevor sie als Finanzanalystin bei J.P. Morgan in New York anfing. Sie stieg 1983 auf Geheiss ihres Vaters Suliman Olayan in den Familienbetrieb ein. Er hatte das Firmenimperium gegründet und später über Dienstleistungen für die wachsende Ölbranche und sich modernisierende Gesellschaft ausgebaut. Im Jahr 1961 begann er, Anteile an grösseren US-Firmen zu erwerben, um Kredite von US-Banken zu erhalten, die gegen saudische Vermögenswerte keine Darlehen vergaben, wie seine Tochter Hutham 2013 in einer Rede erklärte. Der Konzern verfügt auch über eine Beteiligung am britischen Versorger National Grid und hält 5,5 Prozent an der Schweizer Bank Credit Suisse Group AG.
Lubnas Gegenstück in den USA
Als Suliman Olayan 2002 im Alter von 83 Jahren verstarb, wurde sein einziger Sohn Khaled zum Vorsitzenden der Olayan Group ernannt. Lubna leitet den Nahost-Bereich, OFC, seit mehr als einem Jahrzehnt. Ihre Schwester Hutham ist Lubnas Gegenstück in den USA. Sie kümmert sich um die Investments der Gruppe in Nord- und Südamerika. Im Jahr 1987 wurde sie zur ersten Frau aus Saudi-Arabien, die in das Board eines großen börsennotierten US- Unternehmens einzog, Thermo Electron Corp., nun Teil der Thermo Fisher Scientific Inc. Hutham arbeitet von New York aus, wo Olayan America ein Büro an der Park Avenue hat.
Die Olayan-Schwestern gehören zu den stillen Unterstützern einer Debatte in Saudi-Arabien über die Rolle von Frauen und ihre begrenzten Freiheiten. Die Familie finanziert mehrere Organisationen in Saudi-Arabien mit Fokus auf Gesundheitswesen und Bildung.
«Täuschen Sie sich nicht - ich bin weder eine radikale Feministin noch eine Befürworterin davon, Frauen künstlich Positionen zu geben», sagte Lubna 2004 bei einer Rede vor dem arabischen Bankenverband Nordamerikas in New York. «Ich bin allerdings eine Befürworterin eines Systems, in dem die Gelegenheiten ’geschlechtsneutral’ sind und einer wahren Meritokratie, bei der die richtige Person die richtige Position aus den richtigen Beweggründen heraus einnimmt - ungeachtet des Geschlechts.»
(bloomberg/ccr)