Die neue Generation
Nach dem Tod von Doyen Paul Sacher, 93, Ende Mai und dem 1996 erfolgten Rückzug der Väter Jakob Oeri-Hoffmann, 79, und Luc Hoffmann-Razumovsky, 76, aus dem Verwaltungsrat des Basler Pharmakonzerns Roche rückt die vierte Generation der Gründerfamilie ins Rampenlicht: Jetzt ist es die Aufgabe der Söhne Andreas Oeri, 50, und André Hoffmann, 41, die Roche-Erbenfamilien Oeri-Hoffmann und Hoffmann im Verwaltungsrat zu vertreten. Da sich Oeri auf seine Arztpraxis konzentriert, interessiert André Hoffmann, das einzige Familienmitglied mit Managerausbildung. Der weltgewandte, bescheidene Mann mit einem Insead-MBA nimmt sein Roche-Mandat sehr ernst und ist dafür in die Schweiz gezogen. Im Gegensatz zur bisherigen Diskretion der Familien äussert sich der Financier über den Pharmakonzern. So zum Beispiel gegenüber bilanz über die Vitamin-Preisabsprachen der Roche in den USA: «Es gilt jetzt, das Management in der erklärten Absicht zu unterstützen, bestehende Grundsätze durchzusetzen und allenfalls verlorenes Kundenvertrauen zurückzugewinnen.»

Der internationale Werdegang
André Hoffmann ging in Südfrankreich zur Schule, wo Vater Luc Hoffmann in der Camargue rund um sein Gut «La Tour du Valet» als Naturschützer ein Schutzgebiet von 2500 Hektaren und eine Forschungsstation unterhält. Ehemalige Schulkameraden bezeichnen André - ganz im Gegensatz zu seiner «versnobten» Schwester Vera - als «charmant» und «fair». Ausgestattet mit dem Baccalauréat, begann er 1977 erst ein Medizinstudium in Genf, wechselte dann Anfang der achtziger Jahre an die Universität St. Gallen, wo er aber keinen Abschluss machte. Er kehrte in die Camargue zurück und leitete dort zwei Jahre lang als Administrator die dortige Forschungsstation. Schliesslich beschloss er, sich in London zum Börsenhändler und Manager weiterzubilden. Vier Jahre bei James Capel and Co. und danach zwei Jahre bei Nestlé UK Ltd. machten ihn zum Businessman, der zwischendurch am Insead in Fontainebleau seinen MBA erwarb. Dazu erwarb er am Londoner IOD Institute of Directors ein Diplom in Unternehmensführung. 1996 war er bereit, das Roche-Mandat seines Vaters zu übernehmen. Roche-Verwaltungsrat und Alt-Regierungsrat Kurt Jenny schwärmt: «Hoffmann ist in den Bereichen Wirtschaft und Kultur umfassend gebildet, ein Schnelldenker und sehr angenehm im Dialog.»

Die Londoner Zeit
London war für Hoffmann nicht nur für seine Ausbildung wichtig. In der britischen Hauptstadt heiratete er die Verlegerin Rosalie Coombe-Tennant BA, 39, und lebte lange Jahre im Nobelquartier Kensington. Neben seiner Managertätigkeit sorgte der Roche-Erbe auch für persönliche Investments, indem er geschickt in vielversprechende junge Firmen investierte. Des Lobes voll über ihn ist Cyril Freedmann, ein guter Bekannter Hoffmanns, mit dem er im Rahmen eines Venture-capital-Projekts bei der New Covent Garden Soup Company Ltd. (Spezialität: Flüssigsuppen) einstieg. Freedmann: «Hoffmann wollte sein Insead-Wissen in der Praxis anwenden.» Bei solch erfolgreichem Engagement in kleineren Firmen konnte er auch seinem Interesse für das Gastgewerbe nachgehen. So ist er beim prominenten Londoner «Covent Garden Hotel» eingestiegen und bleibt heute der Firmdale-Hotelkette seiner Freunde Tim und Kit Kemp als Verwaltungsrat treu. Auch in der französischen Camargue wirkt er als Verwaltungsrat im exklusiven Hotel «Manade Jacques Bon». In London fühlte er sich wohl, organisierte Treffen von Insead-Ehemaligen und genoss das Kulturangebot: Er ist Steering Committee Member des Royal Opera House Trust und Mitglied der exklusiven Glyndebourne Festival Opera in Lewes.

Die Rückkehr ins Vaterland
Wegen seines Roche-VR-Mandats ist Hoffmann vor kurzem von London in die Schweiz nach Vaux-sur-Morges VD übersiedelt. Heute arbeitet er als selbständiger Financier. Bei seinem Roche-Mandat verfolgt er eine klare Linie: «Ich will einen konstruktiven Beitrag für die Kontinuität bei Roche leisten und an der Fortsetzung des traditionellen Einflusses meiner Familie mitwirken», betont Hoffmann, «dabei will ich mich bewusst auf die Funktion als Verwaltungsrat beschränken.» An der Stimmenmehrheit der Familien soll nicht gerüttelt werden: «Es bestehen keine Pläne, die bestehenden Mehrheitsverhältnisse zu ändern.» Die Rückkehr ins Vaterland ist mit dem Kennenlernen hiesiger Wirtschaftsgrössen verbunden. So ist Hoffmann, auch Mieter einer Wohnung in der Basler Altstadt, neuerdings Mitglied des Patronatskomitees für das Basler Kunstmuseum, in dem Rechtsprofessor Peter Böckli, Moritz Suter (Crossair), Marcel Ospel (UBS), Daniel Vasella (Novartis), Peter E. Merian (Sarasin-Bank) oder Rolando Benedick (Manor) vertreten sind. Länger dabei ist er als Roche-Vertreter beim Internationalen Forschungsinstitut für Paraplegiologie in Zürich, in dessen Stiftungsrat er neben Chefarzt Guido A. Zäch auf die Topbankiers Hans J. Bär und Hans Vontobel trifft. Stiftungsratspräsident und Alt-Regierungsrat Hans Künzi ist über Hoffmanns Engagement begeistert.

Die grosse Verwandtschaft
Neben den Begegnungen mit Roche-Verwaltungsratspräsident Fritz Gerber hat André Hoffmann vor allem sein Vater Luc Hoffmann «mit seinem grossen, lebenslangen Engagement für Natur und Umwelt» geprägt. Von seinen drei Schwestern lebt Daria, 39, in der Nähe von Genf. Vera, 44, ist mit Jan Michalski verheiratet und führt mit ihm einen Verlag in Montricher VD. Interessiert in sachen Kultur ist Maja Hoffmann, 43, die als Vizepräsidentin der Basler Emanuel Hoffmann-Stiftung wirkt. Präsidentin dieser Stiftung, welche den Basler Kunstmuseen wichtige finanzielle Mittel für den Ankauf von Kunst zur Verfügung stellt, ist ihre Cousine Maja Oeri, 44, Kunsthistorikerin und Partnerin des früheren Unternehmers Hans U. Bodenmann. Ihr Bruder und Roche-Verwaltungsrat Andreas Oeri, 50, ist Arzt. In jungen Jahren sympathisierte er mit der linken Poch. Weitere Cousinen von André Hoffmann sind Catherine Oeri, 47, gelernte Krankenschwester, und Beatrice Oeri, 45, Kindergärtnerin. Sabine Duschmalé-Oeri, 49, ist gelernte Ergotherapeutin. Sie ist mit rund 15 Prozent an der Basler Trafina-Privatbank beteiligt, wo ihr Ehemann, der Jurist Hansjörg Duschmalé, im Verwaltungsrat sitzt. Nicht verwandt ist André Hoffmann mit den drei unehelichen Kindern von Paul Sacher: Georg Schmid, 18, Katharina, 47, und Cornelia Faber-Castell, 38.

Volle Kassen erlauben Spenden
Derzeit besitzen die stimmrechtsverbundenen Familien Oeri-Hoffmann und Hoffmann die Roche-Stimmenmehrheit von 50,01 Prozent und einen Kapitalanteil von 14 Prozent, was rein rechnerisch rund 25 Milliarden Franken darstellt. Sachers Roche-Anteile innerhalb des Aktionärsbindungsvertrags flossen nach seinem Tod an die übrigen Poolpartner. Hausbank der Roche-Erbenfamilien ist die Basler Bank Scobag (Sacher Compagnie Basel AG), wo der Roche-Verwaltungsrat und ehemalige Basler Finanzdirektor Kurt Jenny den Verwaltungsrat präsidiert. Getreu ihrem Motto, dass Reichtum verpflichtet, setzen die Roche-Erben viel Geld für Natur, Kultur und andere Anliegen ein. Neben der Emanuel Hoffmann-Stiftung setzen sich zum Beispiel André Hoffmann und Maja Oeri finanziell im Patronatskomitee für das Basler Kunstmuseum ein. Viel Geld haben André Oeri und seine Gattin Gisela über ihre Steineck-Stiftung für das Basler Puppenhausmuseum eingesetzt. Catherine Oeri wiederum schenkte dem Basler Museum der Kulturen eine wertvolle Tibet-Sammlung, und ihre Schwester Sabine Duschmalé-Oeri spendete vor kurzem fünf Millionen Franken für die Tagesstätte «Basler Wirrgarten» zugunsten von Alzheimerkranken. Auch in der Stiftung «Ladies first» für ein neues Basler Schauspielhaus finden sich Mitglieder der Roche-Erbenfamilien. In der Camargue finanziert die Stiftung Tour du Valat von Luc Hoffmann die dortige Forschungsstation und die Schutzgebiete.
Partner-Inhalte