Der neue EU-Parlamentspräsident heisst Antonio Tajani. Als Kandidat der Europäischen Volkspartei (EVP) hatte er von Anfang an die grösste Hausmacht im Rennen um die Nachfolge von Martin Schulz. Doch der ehemalige Berlusconi-Sprecher kämpfte mit Altlasten.
Mit Engelszungen umschmeichelte der 63-jährige Jurist aus Rom die Kollegen der anderen Fraktionen vor der Wahl. «Wenn ich mit der Kommission verhandle, werde ich die Positionen der Minderheiten in den Blick nehmen», versprach er. Nicht um eigene Stärke gehe es ihm, sondern um die Stärke des ganzen Parlaments.
«Eine Provokation»
Tajani wusste wohl, dass der Stimmenfang für ihn nicht leicht werden wird. Zwar hatte er die grösste Fraktion hinter sich und somit wenigstens auf dem Papier auch die besten Chancen.
Für viele schien der edel ergraute Konservative aber ein rotes Tuch. So brauchte es denn auch vier Wahlgänge, um ihn als EU-Parlamentspräsidenten zu erkoren.
«Für alle Nicht-Hardliner ist der Mann eine Provokation», sagte zum Beispiel der deutsche Sozialdemokrat Udo Bullmann dem «Spiegel». Und Gabi Zimmer, die deutsche Fraktionschefin der Linken, hält eine Unterstützung für unmöglich. «Tajani präsentiert sich als politisch neutral, aber das ist nicht glaubwürdig», sagt sie.
Nähe zu Berlusconi
Vorgehalten wird dem ehemaligen EU-Kommissar vor allem die Nähe zum früheren italienischen Ministerpräsidenten Silvio Berlusconi von der Forza Italia, dem Tajani einst als Mediensprecher diente. Er führte zudem die römische Redaktion der Mailänder Tageszeitung «Il Giornale», die der Familie Berlusconi gehört.
Auch zu seiner Zeit als EU-Industriekommissar gibt es kritische Stimmen. Ende 2016 musste er sich vor dem zuständigen Untersuchungsausschuss im EU-Parlament für seine Rolle im VW-Abgas-Skandal rechtfertigen, war er doch für die Regulierung der Autobranche zuständig. Die Abgeordneten warfen ihm vor, zu viel Rücksicht genommen zu haben.
Aufstieg vom Vize
Tajani sitzt seit 1994 im EU-Parlament – nur unterbrochen durch seine Zeit als EU-Kommissar zwischen 2008 und 2014. Seit 2014 amtet der Italiener als einer der 14 Vizepräsidenten im EU-Parlament.
Bei einer Podiumsdiskussion vor wenigen Tagen unterstrich er stolz, dass er bei seiner Wahl damals die meisten Stimmen bekommen habe. Das weise auf seinen breiten Rückhalt im Haus.
(sda/jfr)