Sie waren zwei Frauen in einem Team von 80 Händlern. Der Jupe war im Büro Pflicht, und er hatte schwarz zu sein. «Wenn ich ein beiges trug, gab es Kommentare.» Die anderen Händler nannten sie «Frenchy». Doch bei der Arbeit auf dem Börsenparkett waren die Unterschiede bedeutungslos: «Ich liebte es, dass wir beim Traden alle gleich waren.»
So beschrieb Ariane de Rothschild der Zeitung «Le Temps» ihre Anfänge als junge Börsenhändlerin an der Wall Street. Eine Traderin ist Rothschild längst nicht mehr. Rothschild, gut fünfzigjährig, ist heute die wichtigste Bankerin der Schweiz ausserhalb des Scheinwerferlichts. Als exekutive Präsidentin der Genfer Bank Edmond de Rothschild leitet sie seit 2015 ein Unternehmen mit über 800 Angestellten und einer Bilanzsumme von fast acht Milliarden Franken.
Ariane de Rothschild liebt Geschwindigkeit und extreme Spannung, wie sie sagt. Es ist eine ungewöhnliche Charakterisierung für jemanden, der ein diskretes Institut mit Tradition leitet. Und tatsächlich sorgt die vierfache Mutter, die ihre Kindheit im damaligen Zaire in Afrika verbrachte, für frischen Wind bei Edmond de Rothschild. In den letzten vier Jahren stellte Rothschild die Organisation neu auf und fokussierte die Bank aufs Kerngeschäft Private Banking und Asset Management, also die Verwaltung privater Vermögen und Anlagen institutioneller Kunden. So verkaufte sie etwa eine Reihe von Liegenschaften.
Der Ursprung der Familiendynastie liegt in Frankfurt, wo der Münzhändler Mayer Amschel Rothschild im späten 18. Jahrhundert in das Kreditgeschäft einstieg. Er schickte vier seiner fünf Söhne nach London, Paris, Wien und Neapel. Einer blieb in Frankfurt. Sie alle schufen gemeinsam das erste multinationale Unternehmen der Finanzgeschichte, die weltweit bedeutendste Bank des 19. Jahrhunderts. Fünf Pfeile sind bis heute das Symbol von Rothschild & Co. Heute gibt es noch einen weiteren Familienzweig mit der in der Schweiz angesiedelten Bank Edmond de Rothschild (Material von der Agentur sda)
Die Einigung mit dem Pariser Cousin Rothschild
Und Ariane de Rothschild fand Lösungen in zwei Konflikten, die das Institut belasteten: Sie einigte sich mit den US-Behörden im Bankenstreit – was die Bank 45 Millionen Dollar kostete. Zudem legte die Bankerin den grossen Zwist innerhalb der Bankiersdynastie Rothschild bei. Jahrelang stritt sich die Schweizer Privatbank mit der französischen Investmentbank Rothschild über die Firmenbezeichnung. Nach der Einigung passten beide Banken ihre Namen an, um nicht länger verwechselt zu werden.
«Als ich ankam, sprach man über die Bank wie über eine schlafende Schönheit. Man musste sie nur wecken», erzählte Ariane de Rothschild der Zeitung «Le Temps». «Es galt, den Rhythmus zu erhöhen.» Sie versuche, eine Bank zu bauen, die nicht nur eine Bank sei, sagte sie der « Financial Times». «Ich erwarte mehr von meinen Bankern, als nur Produkte zu verkaufen.» Und weiter: «Es geht darum, auf Service, Service, Service und Kundennutzen, Kundennutzen, Kundennutzen zu konzentrieren.»
Ich steht Tidjane Thiam nahe, dem CEO der Credit Suisse, einem brillanten, aussergewöhnlichen und politisch inkorrektem Mann. Er sagt mir immer, ich sei die Blonde und er der Schwarze des Finanzplatzes. Das bringt uns beide zum Lachen (Rothschild im Interview mit «Le Temps» vom März 2016).
Ein CEO übernimmt das Tagesgeschäft
Nun vertraut Rothschild einem Manager diese Aufgabe an: Edmond de Rotschild erhält mit Vincent Taupin einen CEO. Er führt derzeit die Aktivitäten in Frankreich. Zugleich zieht sich die Bank von der Schweizer Börse zurück. Das Institut geht vollständig in Besitz der Familie über. Mit dem Rückzug vom Aktienhandel stuft Edmond de Rothschild aber nicht die Ambitionen zurück. Vielmehr will die Privatbank jetzt wachsen und auch andere Institute dazukaufen.
Und auch Ariane de Rothschild behält trotz ihres Rückzugs vom Tagesgeschäft eine Führungsrolle: Zusammen mit ihrem Mann, Baron Benjamin, verwaltet sie den riesigen Familienbesitz. Benjamin de Rothschild präsidiert überdies die Gruppenholding, sie die Schweizer Gesellschaft. Die «Bilanz» schätzt das Vermögen der adligen Genfer Familie auf 3 bis 3,5 Milliarden Franken (kostenpflichtiger Link). Den Rothschilds gehören Weingüter, Landwirtschaftsbetriebe, Skiresorts, Kunstsammlungen und Hotels in aller Welt. Und über eine Stiftung unterstützt die Milliardärsfamilie auch Kunst, Bildung und gemeinnützige Aktivitäten. «Ich will beides auf einmal tun: Geld verdienen und gleichzeitig die Welt verbessern», sagte Rothschild der «Euro am Sonntag».
1963 Edmond de Rothschild gründet die Genfer Privatbank
1965 Geburt von Ariane Langner in San Salvador als Tocher einer Französin und eines Deutschen
1999 Ariane heiratet Benjamin de Rothschild, Sohn des Bankgründers Edmond
2015 Ariane de Rothschild übernimmt als exekutive Präsidentin die Bankleitung