Die Corona-Pandemie hat kaum eine Branche so durchgerüttelt wie den Kunstmarkt. Er hat innerhalb von wenigen Monaten auf Online-Verkäufe umstellen müssen. Auch die Kunsthäuser haben angefangen, ihre Auktionen vermehrt im Netz zu streamen. Diesen Trend zeigte der Christie’s-Europachef gegenüber der «Handelszeitung» auf. Den Auktionshäusern gelang es somit in der ersten Corona-Welle, einige Meisterwerke für eine achtstellige Summe auf hybriden Auktionen zu verkaufen.
Am Dienstag erschien der «Art Market Report», herausgegeben von der Art Basel und der UBS, unter der Leitung der Kunstökonomin Clare McAndrews. Sie schreibt in ihrer Einleitung: «Der Kunstmarkt erholt sich, Live-Auktionen und Messen kehren zurück, die Online-Verkäufe von Kunstwerken wachsen aber ebenso.» Der Kunstmarkt konnte entsprechend 2021 die Verkäufe wieder signifikant steigern. «Die Kunsthändler und Auktionshäuser fahren nun hybrid mit Online- und Offline-Verkäufen. Dafür haben sie viel in die Plattformen investiert», sagt Clare McAndrews.
In aller Munde sind derzeit NFT (Non-Fungible Token), die neben den üblichen Zahlen zu Auktionen und Verkäufen von Galerien nach Region ebenfalls im Bericht thematisiert werden. Dabei ist eine Erkenntnis auf den ersten Blick eindeutig: Auch wohlhabende und langjährige Sammler kaufen NFT, genauso wie junge Sammler.
Dabei kristallisieren sich die folgenden Trends für den Kunstmarkt aus dem Bericht heraus:
► Der Gesamtmarkt steigt wieder an
Nach dem stärksten Umsatzrückgang seit zehn Jahren im Corona-Jahr 2020 erholte sich der Kunstmarkt im vergangenen Jahr wieder. Er wuchs sogar um fast 30 Prozent auf 65,1 Milliarden Dollar. Besonders der Markt in den USA hat seine führende Position ausgebaut, 43 Prozent der Umsätze mit Kunst werden dort erwirtschaftet. 20 Prozent sind es in China, dem zweitgrössten Markt für Kunst, während der Kunsthandel in Grossbritannien schrumpfte und das Land somit auf Platz drei fällt. Frankreich zog an, der Schweizer Markt verzeichnete ebenso mehr Verkäufe.
► Die Händler verkaufen wieder
Der Umsatz bei den Händlern, also den Galeristen und privaten Kunsthändlern, lag 2021 bei 34,7 Milliarden Dollar und stieg damit im Vergleich zum Vorjahr um 18 Prozent. Das ist aber immer noch unter dem Niveau vor Ausbruch der Corona-Pandemie. Rund ein Viertel der Händler musste einen Rückgang der Verkäufe hinnehmen. Hier zeigt sich folgendes Bild: Die Verkäufe bei der breiten Masse brachen ein, während die Galeristen mit Umsätzen zwischen 5 und 10 Millionen Dollar zulegen konnten. Das unterstreicht auch den Trend hin zu grösseren Galerien, die weltweit Ableger ins Leben gerufen haben.
► Auktionen haben frappant zugelegt
Der Umsatz bei öffentlichen Auktionen von Kunst und Antiquitäten erreichte 2021 einen Umsatz von 26,3 Milliarden Dollar. Das entspricht einem Anstieg von fast 50 Prozent gegenüber 2020. Dies ist auf das Angebot an hochwertigen Werken zurückzuführen, die auf den Markt kommen, sowie auf den Zustrom neuer Käufer. Dazu kommt auch die Installation von Online-Auktionen, wie etwa beim Auktionshaus Christie’s.
► NFT mischen den Markt auf
Das Werk von Beeple, «Human One», welches für 29 Millionen Dollar im November vergangenen Jahres bei Christie’s verkauft wurde, schlug in einer Online-Auktion einige Rekorde. Von dem 65 Milliarden Dollar schweren Kunstmarkt stammen immerhin schon 2,6 Milliarden Dollar von Verkäufen aus NFT. Viele werden aber auf neuen Plattformen gehandelt, die Umsätze haben sich dort verhundertfacht. Diese agieren aber losgelöst von den grossen Auktionshäusern und Playern, ähnlich wie Smartphone-Banken. Dabei scheinen NFT alle Arten von Sammlern zu begeistern. Einerseits haben die High-Net-Worth-Sammler Kunst-NFT gekauft, gleichzeitig waren 78 Prozent der NFT-Bieter neu bei Sotheby’s und mehr als die Hälfte von ihnen unter 40 Jahre alt.
► Online-Verkäufe steigen wieder langsamer an
Wie in praktisch allen Branchen wächst auch der Online-Verkauf von Kunst weiter, aber nur um etwa 7 Prozent im Jahr 2021. Er kommt auf ein Volumen von rund 13 Milliarden Dollar, einem Fünftel des Gesamtmarktes. Marc Spiegler, Direktor der Art Basel, sagt zu dieser Entwicklung: «Wie erwartet ist der Anteil der Online-Kunstverkäufe im Jahr 2021 gesunken, da die persönlichen Verkäufe wieder zugenommen haben, aber der Gesamtwert der Online-Verkäufe ist erneut gestiegen. Der E-Commerce in der Kunstwelt ist eindeutig auf dem Vormarsch.»
► Kunstmessen sind langsam wieder auf dem Programm
Im Jahre 2021 fanden wieder mehr Messen statt, darunter auch die Art Basel in Basel und Miami. In der Folge wurden auch wieder mehr Werke an Kunstmessen verkauft, rund 30 Prozent aller gehandelten Objekte 2021. Dazu zählen auch solche, die über Online-Viewing-Showrooms an Messen verkauft wurden. Insgesamt liegt der Umsatz mit gehandelter Kunst an Messen aber noch 10 Prozent unter dem Volumen von 2019. Branchenkenner gehen davon aus, dass sich diese Zahl wieder erholt. Auch wenn etliche Händler offenbar abwägen, ob die Rückkehr an Messen lohnt, nachdem sie online fast genauso viel Umsatz erzielt haben.
► Reiche Sammler wollen wieder mehr kaufen
Der Report hat sich bei über 2000 vermögenden Sammlern umgehört: Sie haben im vergangenen Jahr mehr Geld für Kunst und Antiquitäten ausgegeben als die Jahre zuvor. Und wollen das auch weiterhin tun: Mit Blick auf die nächsten zwölf Monate gab die Mehrheit der vermögenden Sammler an, 2022 Kunst kaufen zu wollen. Ein wachsendes Interesse an digitaler Kunst ist ebenfalls zu beobachten, insbesondere bei jüngeren Sammlern.