Der Wolkenkratzer MahaNakhon des Architekten Ole Scheeren ist mittlerweile Bangkoks höchster Gigant. Die verpixelte Version eines luxuriösen Turms, der ganz unterschiedlich genutzt werden soll, befindet sich im Geschäftsviertel der Stadt. CNN Style Produzentin Stephy Chung hat den deutschen Architekten in dem halbfertigen Gebäude zum Gespräch getroffen. Die Eröffnung des 77-stöckigen Wolkenkratzers ist für das Ende des Jahres geplant.

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Hat sie etwas überrascht, als MahaNakhon gebaut wurde? Wollten Sie in diesem Stadium noch immer Veränderungen im Design vornehmen?
Ich hatte schon immer das Gefühl, dass ich Dinge gut visualisieren kann, und das auch ziemlich realitätsnah. Im Grossen und Ganzen gibt es immer ein paar wenige Sachen, die einen dann doch überraschen, weil aus der Idee plötzlich Wirklichkeit geworden ist. Doch es gibt viele Illustrationen, Entwürfe und Modelle, die beweisen, wie unendlich nah die Vision letztendlich an die Realität heranreichen kann. Andererseits liegt für mich genau darin die Schönheit der Architektur: Es ist ein Prozess, der niemals wirklich endet – man muss bis zum Ende aufmerksam sein. Die Idee muss bis zum Ende gelebt werden und sollte man nicht aufpassen, können ganz schnell unvorhergesehene Dinge passieren. Die Grundidee muss intakt bleiben, aber manche Dinge müssen überdacht und neuen Situationen angepasst werden.

MahaNakhon mit seiner verpixelten Fassade wirkt geradezu, als ob die Skyline das Gebäude zensieren wollen würde. Können Sie mir mehr zum Design verraten?
Eine Sache, die meiner Meinung nach wichtig und ein Zeichen von Qualität ist, ist der Sinn für Komplexität, Vielfalt und Abwechslung. Meine Vorstellung von Raum ist nicht allzu simpel, aber ich glaube auch an das Interesse von Raum und die Kraft, mit der Raum etwas in den Menschen bewirken kann, die ihn bewohnen. Betrachtet man MahaNakhon, fallen die verschiedenen Möglichkeiten auf, in denen man das Gebäude bewohnen oder erfahren kann. Man kann sich in den Pixeln verstecken, aber auch sich selbst preisgeben. Auf dem Dach kann man stehen oder über die öffentlichen Terrassen am Boden flanieren. Es gibt so viele unterschiedliche Momente und das ist etwas, das mich anzieht: Menschen die Freiheit einer Umgebung zu geben, die manches offen lässt und nicht alles vorbestimmt.

Ihre Arbeit ist stark von dem kulturellen Kontext der Stadt inspiriert, in der gebaut werden soll. Wie ist Ihre Beziehung zu Bangkok und wie hat die Stadt Einfluss auf den Entwurf genommen?
Ich habe in den späten 1990er Jahren in Bangkok gelebt und als Ko-Kurator in einer der damals grössten Ausstellungen namens «Cities on the Move» gearbeitet. Nach der asiatischen Finanzkrise standen überall in der Stadt verlassene Gebäude, die noch im Bau waren. Ich nannte sie damals Skelette und wir haben sie katalogisiert. Insgesamt gab es 254 dieser unfertigen Konstruktionen, die eine Vision der Zukunft der Stadt aufzeigten, die so niemals existieren würde. Das war für mich ein Instrument, um meine Sinne in zweierlei Hinsicht zu schärfen: das Gebilde der Stadt und das Vermögen und die Psychologie der dort lebenden Menschen. Gleichzeitig offenbarte sich Bangkok als Ort, der irgendwie zwischen Gegenwart, einer starken Vergangenheit und einer Bereitschaft für eine futuristische und angstfreie Beziehung zur Urbanität koexistieren konnte. Ich finde, dass diese Spannung auch noch heute vernehmbar ist, und der anhaltende Dialog zwischen Vergangenheit und Zukunft hat mich bei diesem Gebäude inspiriert.

Wie oft sind Sie selbst vor Ort?
Ich bin alle vier bis sechs Wochen vor Ort, manchmal sogar öfter. Ich begleite meine Projekte ziemlich intensiv und bin einfach gern dabei. Manchmal laufe ich gerne durch die Stadt und lasse das Gebäude von unterschiedlichen Aussichtspunkten auf mich wirken. Zusammen mit den Konstruktionsteams und meinen Leuten begehen wir die Gebäude, diskutieren und überlegen, wie wir mögliche aufkommende Probleme angehen und worauf wir unseren Fokus legen. Hin und wieder ist es aber auch wichtig alleine zu sein. In einer Weise, in der man sich selbst aus allen Konversationen und Diskussionen herausnimmt, und man sich vollkommen darauf konzentriert, etwas selbst wahrzunehmen.

Wir kommen hier zu einem interessanten Zeitpunkt zusammen: Manche Teile sind bereits fertiggestellt oder stecken in den letzten Zügen. Ich frage mich, ob Sie ein Gefühl des Abschieds während dieser Phase empfinden, kurz bevor sie das Projekt abschliessen und an Ihren Auftraggeber übergeben.
Ich empfinde das eigentlich nicht so sehr als Abschied. Denn wenn ich etwas designe, mache ich das nicht für mich, sondern für die Menschen, die es besitzen, bewohnen oder darin arbeiten. Das ist meine Auffassung von Beginn an. Dieses Gefühl des ‚Gebens‘ ist extrem wichtig, um in der Lage zu sein, etwas so zu designen, wie wir es tun. Aber ich lebe meine Designs noch sehr. Ziemlich regelmässig besuche ich die von mir entworfenen Gebäude, weil ich so gespannt bin zu sehen, was mit ihnen passiert. Da ich es für andere Menschen entworfen habe, finde ich es interessant, wie sie es nutzen und was sie damit tun. In der Phase des Entwurfs versuche ich vorauszuahnen, was dort passieren wird. Doch ich mag die Idee, dass Menschen sich Räume und Gebäude aneignen. Dafür sind sie gemacht und ich denke, dass das die Pflicht und die Bedeutung von Architektur ist. Für mich ist Architektur kein konstruiertes Stück aus einer Substanz. Architektur ist Raum zum Leben. Und das ist das Schöne daran.

Dieser Text erschien bei CNN Sytle, der Onlineplattform von CNN. Auf CNN Sytle informiert der Nachrichtensender sein internationales Publikum über Trends und Hintergründe im Bereich Mode, Design, Architektur, Kunst, Automotive und Luxus.