Herr Lichte, welche Autos sind für Sie Design-Ikonen?
Da könnte ich schon bei Audi eine ganze Reihe aufzählen – vom Audi Sport quattro bis zum Audi 90 quattro IMSA GTO. Diese Autos verleihen Technik ein unverwechselbares Gesicht. Das gilt auch für den Porsche 911. Modelle mit Luftkühlung üben auf mich als Fan puristischer Sportwagen einen ungebrochenen Reiz aus. Und natürlich der erste Audi TT. Er ist die Essenz von Audi – in jedem Audi-Modell steckt immer noch ein Stück vom TT.
Aber TT und der Supersportler R8 sollen eingestellt werden. Am letzten R8 konnten Sie nur noch Retuschen anbringen.
Mit dem Facelift haben wir den Charakter des Audi R8 weiter geschärft. Der Singleframe ist noch breiter und flacher. Die flachen Schlitze oberhalb des Kühlergrills zitieren den Sport quattro. Dazu abgedunkelte Scheinwerfer und grosse Lufteinlässe. Und wir haben uns natürlich schon Gedanken gemacht, wie es in diesem speziellen Segment weitergeht.
Sie sprechen das Konzept AI:RACE an.
Dieser Showcar hat weltweit Begeisterung ausgelöst. Selbst auf der IAA Frankfurt, als das Auto schon seit einem Jahr bekannt war, rannten alle hin, einfach weil es sie fasziniert. Sportwagen gehören zu unserer Marke, ob sie nun R8 und TT heissen mögen oder eben AI:RACE.
Wie sieht Ihre Designstrategie aus?
Wir wollen innovative Technik mit progressivem Design verbinden und fassen das bei Audi unter dem Begriff der ästhetischen Intelligenz zusammen. Kurz gesagt: Vorsprung durch Technik erlebbar machen. Das ist der Kern unserer Marke und für das gesamte Team im Audi Design eine klare Leitlinie. Wenn sich die technischen Grundlagen der Mobilität verändern, dann spiegelt sich das folglich auch in der Formgebung wieder. Denken Sie nur an die verschiedenen Levels automatisierten Fahrens. In Zukunft werden Autos mehr und mehr für einen bestimmten Use Case massgeschneidert sein. Wir haben einen Plan, wo diese Reise hingeht.
Marc Lichte (50) ist Chefdesigner bei Audi. Er studierte Transportation Design in Pforzheim, startete dann in der VW-Gestaltungsabteilung unter dem legendären Chefdesigner Hartmut Warkuss, stieg zum Leiter des «Design Exterior Studio» auf, bevor er Anfang 2014 zu Audi wechselte.
Die vier AI-Konzeptfahrzeuge, zu denen der AI:RACE gehört wie auch der spektakuläre Offroader AI:TRAIL.
Mit diesen Showcars veranschaulichen wir unsere Zukunftsvision. Dabei handelt es sich keineswegs um reine Fantasie. Sehr viele Elemente werden auch Einzug in die Serie halten. Und wir stehen bei diesem Gedanken erst am Anfang. Autodesign ist ein permanenter Entwicklungsprozess.
Skoda hat dem neuen Superb am Heck eine Chromspange spendiert, die sehr nach Audi A6 aussieht. Auch Seat baut immer schönere Autos. Wird der Raum für Sie im Konzern eng?
Wenn uns andere Hersteller im Design als Vorbild nehmen, sehe ich das als Kompliment. Als Designmarke darf Audi nicht stehen bleiben, sondern muss weiter springen als andere. Bei Messe-Rundgängen lässt sich immer wieder beobachten, wie wir anderen als Inspiration dienen. Damit prägen wir neue Gestaltungstrends für die gesamte Branche.
Ihr erster Stromer e-tron zeigt, dass er ein Elektriker ist, aber dezent. Andere demonstrieren das viel offensiver. Wie werden Sie es in Zukunft gestalten?
Wir haben ein übergreifendes Design für beide Welten. Wir sind ja kein Tesla, der auf einem weissen Blatt Papier eine neue Marke gegründet hat. Aber wir wissen von unseren Kunden, dass der Einstieg in die Elektromobilität nicht zu einem Bruch führen soll – in der Alltagstauglichkeit ebenso wenig wie in der Formgebung.
Was auffällt: Aussen werden die Autos expressiver, innen dagegen ruhiger.
Ja. Aussen haben wir eine progressive Linienführung. Dafür ist die Philosophie für innen: Einfachheit in der Bedienung. Ruhe. Wir machen nicht alles pompös, nur weil wir es können, nein: Weil wir mehr können, machen wir es übersichtlicher. Man kann atmen. Dieser Gegensatz macht richtig Spass, damit kommt Spannung ins Auto rein.
Wie geht es dann weiter im Design?
Nach und nach werden unsere Autos im Design grössere Schritte machen, weg von der alten Welt. Und zugleich so, dass wir unsere Kunden mitnehmen.