Als James Christie Anfang Dezember 1766 zum ersten Mal den Hammer schwang, gab es in Grossbritannien weder eine Royal Academy noch eine National Gallery. Die Versteigerungen wurden bald zum Event der feinen Gesellschaft.

«Würden Sie mir 600'000 Pfund geben?» Jussi Pylkkänen, der Chef des Auktionshauses Christie's hat sich weit über sein Mahagoni-Pult in Auktionssaal in der Londoner Zentrale des Traditionsunternehmens gelehnt, das in diesem Jahr sein 250-Jahr-Jubiläum feiert. Zur Versteigerung stehen an einem Abend Ende November moderne Kunstwerke britischer und irischer Künstler.

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Wie eine einstudierte Choreographie

Für wenige Sekunden hält der Saal den Atem an - dann, als hätten die Bieter nur darauf gewartet, dass einer den ersten Schritt macht, geht es in atemberaubendem Tempo weiter. «600'000, 620'000, 640'000 ist das Gebot», ruft Pylkännen in den Saal, wobei er wie ein Dirigent mit einem ausgebreiteten Armen mal hier, mal mit der Hand auf einen Bieter weist.

Der Hammer fällt schliesslich bei 773'000 Britischen Pfund (umgerechnet 994'000 Franken) für ein Gemälde der englischen Malerin Bridget Riley. Das Ganze wirkt kunstvoll, beinahe wie eine einstudierte Choreographie.

Am Anfang echten Mist versteigert

Schon als Firmengründer James Christie zum ersten Mal den Hammer schwang, war die Versteigerung nicht nur Dienstleistung, sondern auch Event. Dabei hatten die ersten Objekte wenig mit Kunst zu tun. Schweine, Hühner, Dung, seltene Vögel, Tulpenzwiebeln, Heuballen, Bettlaken, Federbett und ein speziell angefertigter Sarg zählten zu den Losen der ersten Versteigerungen.

Aber schon ein Jahr später hatte Christie mit guten Beziehungen zur künstlerischen und intellektuellen Elite das Angebot um Gemälde und Luxusobjekte erweitert.

Mittelpunkt des kulturellen Austauschs

Überhaupt, sagt Pylkkänen, weht der «innovative Geist» des quirligen Schotten James Christie (1730-1803) noch heute durch die Firma, die mit einem weltweiten Netz von 2500 Angestellten einen Jahresumsatz von 4,8 Milliarden Pfund erzielt. Damals wie heute gehe es hauptsächlich um den «Kulturaustausch» und den Kontakt mit zeitgenössischen Künstlern.

«James Christie war zu seiner Zeit absolut ausschlaggebend für die Etablierung eines kulturellen Zentrums in Grossbritannien», sagt Pylkkänen. Zu einer Zeit, als es so grosse Kunsteinrichtungen wie die Royal Academy (gegründet 1768) und die National Gallery (gegründet 1824) noch nicht gab, machte er das Auktionshaus zum Mittelpunkt des kulturellen Austauschs.

Kriegsgewinnler

Der Zugang zu hohen gesellschaftlichen und königlichen Kreisen von Frankreich bis Russland war garantiert. Gesellschaftliche und politische Verwerfungen spiegelten sich im Geschäft wider. Die Auflösung von Kunstbesitz nach den Wirren der Französischen Revolution von 1789 markierte für Christie's eine neue Blütezeit, ebenso wie die Juwelenverkäufe der europäischen Aristokratie nach dem Ersten Weltkrieg.

Inzwischen sind die grossen Auktionshäuser Christie's und Sotheby's vor allem auch Orte eines uneinholbaren Expertentums auf dem Gebiet der Kunst. Während zum Beispiel Verkäufer und Bieter der Öffentlichkeit unbekannt bleiben, wissen die Auktionshäuser genau, in wessen Besitz die grossen Meisterwerke sind, die einst bei ihnen zum Verkauf standen.

Peles Leibchen und eine Spitfire

Zu den Auktions-Glanzstücken der vergangenen 250 Jahre zählt ein Pferdegemälde von George Stubbs, das zwischen 1780 und 2011 viermal durch die Hände von Christie's ging. In der Kategorie Kurioses und Memorabilien stechen ein britisches Spitfire-Kampfflugzeug, Peles Fussballtrikot und Audrey Hepburns Kleines Schwarzes aus dem Film «Frühstück bei Tiffany's» hervor.

Der technologische Wandel hat dem Geschäft eine neue Dimension hinzugefügt. Rund 28 Prozent der Verkäufe werden derzeit online ausgehandelt - mit rasant steigender Tendenz. Das Smartphone hat «Christie's Live» zur Realität gemacht. «Die Kunstwelt bietet viele Gelegenheiten für eine kulturelle Revolution», sagt Pylkkänen dazu.

(sda/dpa/ccr)

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