Die Richemont-Marke Baume & Mercier hatte auf dem Salon international de la Haute Horlogerie (SIHH) schon immer einen speziellen Platz. Denn die Zeitmesser des Genfer Labels kosten zwischen 1500 bis 2500 Franken, während sich sonst am Salon die Preise gerne im sechsstelligen Franken-Bereich bewegen. Doch die Einordnung ins untere Preissegment hinderte die Genfer nicht dabei, dieses Jahr für besonderes Aufsehen zu sorgen. Sie präsentierte nämlich ihr erstes eigenes mechanisches Kaliber.
«Wir haben keinen Minderwertigkeitskomplex», sagt Chef Alain Zimmermann. Der ehemalige IWC- und Cartier-Manager ist stolz darauf, eine «Vorreiterrolle» zu spielen. «Wenn unsere Kunden zu uns kommen, kaufen sie oft ihre erste wirklich schöne mechanische Uhr. Das ist ein grosses uhrmacherisches Abenteuer, die schönste Mission von allen.»
«Strategischer Meilenstein»
Traditionell haben die Uhren von Baume & Mercier die Zeit dank Werken von Dritten angezeigt – geliefert insbesondere von der Swatch-Group-Firma ETA oder von der unabhängigen Sellita. Nun stattet Baume & Mercier 5 der gut 80 Modelle mit dem im eigenen Haus gefertigten Uhrwerk – es hört auf den Namen Baumatic – aus. Für Zimmermann öffnet sich damit ein neues Kapitel. Es sei ein «strategischer Meilenstein» erreicht.
Das mechanische Werk mit drei Zeigern verfügt über eine Gangreserve von rund 120 Stunden, hält alltäglichen Magnetfeldern locker stand und hat eine Ganggenauigkeit von -4/+6 Sekunden pro Tag. «Für unser Preissegment ist das unschlagbar. Ich denke, wir werden einen neuen Standard setzen», sagt Zimmermann. Eine mit einem Baumatic ausgestattete Uhr kostet 2490 Franken.
Unterstützung durch Richemont
Baume & Mercier und seine 210 Mitarbeiter konnten das Uhrwerk aber nicht vollständig selbst entwickeln. Das Unternehmen hat sich deshalb auf die Schlagkraft der Richemont-Gruppe verlassen, etwa durch die Forschungs- und Entwicklungsabteilung, die jetzt in Neuenburg zusammen gelegt wird, oder durch die Uhrwerksfabrik Val Fleurier.
Baume & Mercier folgt mit der Investition in das hauseigene Kaliber dem Vorgehen vieler Mitbewerber: Das jüngste Beispiel ist die Marke Tudor, die 2015 mit einem eigenen Werk auf den Markt kam. Hauseigene Kaliber ermöglichen es, sich von der Konkurrenz abzuheben und – in manchen Fällen – den Status einer Manufaktur zu beanspruchen.
Ist das auch 2018 noch ein Verkaufsargument? «Wollen Sie damit andeuten, dass wir zu spät kommen? Das glaube ich nicht, aber das macht nichts», sagt Alain Zimmermann. «Wir haben seit fünf Jahren an diesem Projekt gearbeitet, um es aus eigenem Antrieb zu lancieren. Es geht darum, die Erwartungen der immer anspruchsvolleren Kunden zu erfüllen.»
«Faire und günstige Preise»
Baume & Mercier bewegt sich in einem Preissegment, «einem der wettbewerbsfähigsten auf dem Markt», bei dem das Genfer Unternehmen mit Marken wie Longines, Louis Erard und Frédérique Constant konkurrenziert. Dieses mittlere Uhrensortiment profitiert von einer Rückkehr der Nachfrage nach Uhren zu «faireren und günstigeren» Preisen, so Zimmermann. Aber reiche nicht aus. «Wir kämpfen nicht nur gegen unsere Mitbewerber, sondern auch gegen andere Konsum-Experimente im weitesten Sinne. Kaufe ich für 2000 Franken eine Baume & Mercier oder fahre ich mit meiner Familie für ein Wochenende weg?»
Alain Zimmermann kam 2009 zur Marke und hat das Unternehmen seither neu positioniert. Bis hin zur Erzielung von Profitabilität? Die Antwort ist auf allen Messeständen am SIHH dieselbe: Es widerspricht Richemonts Politik, Zahlen zu nennen. «Rentabilität muss für jeden Markenverantwortlichen ein Ziel sein», sagt Zimmermann Aber das hänge auch immer von der Höhe der Investitionen ab. «Wir haben uns entscheiden, kräftig in China zu investieren».