Die erste Frage des deutschen Fünfzigers mit flotter Porsche-Brille lautet: «Wie viele Höhenmeter habt ihr gmacht?» Schichtwechsel unten im Tal. Eisiger Wind, minus 23 Grad. 5 Meter hoch türmt sich der Schnee auf dem einsamen Parkplatz, wo sich die ankommenden Gäste mit den Abreisenden der Heliskiwoche kreuzen. Der Helikopter fliegt die 33 neuen Gästeschubweise hinaufin die Luxus-Lodge Bobbie Burns in den Purcell Mountains. Vorwiegend Männer im mittleren Alter: Amerikaner, Kanadier, Japaner, Schweden, Deutsche, Schweizer. Und alle mit dickem Portemonnaie: Ab Europa kosten sieben Tage Heliskiing rund 12 000 Franken.

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Die Standardfrage nach den Höhenmetern werden wir noch häufig hören. «Keine Ahnung», ist jeweils meine Antwort. Mir und meinem Partner ist anderes wichtig: Spuren im jungfräulichen Pulverschnee ziehen. Tanzen im Steilhang zwischen tief verschneiten Tannenbäumen. Nicht in die gefürchteten Baumtrichter fallen. Das grenzenlos weite unverbaute Bergpanorama geniessen. Und Schlemmen. Die sichtbarste Auswirkung von Heliskiing ist der «Helibelly». Gefüllt vom Spitzenkoch in der Lodge, der uns mit täglich neuen Leckerbissen verwöhnt.

CO2-Fussabdruck kleiner als vermutet
Eine andere Auswirkung interessiert uns mehr: Unser CO₂-Fussabdruck. Dave Butler, Chef für Nachhaltigkeit beim Organisator Canadian Mountain Holidays (CMH), rechnet vor: «Für die Heliskiwoche emittieren wir pro Person insgesamt 1,19 Tonnen CO₂. Davon allein 0,974 Tonnen für die Flüge.» Das ist wenig im Vergleich der Klimagase, die wir mit dem Flug von Zürich nach Kanada retour in die Atmosphäre verpufft haben: 5,11 Tonnen CO₂ pro Person. Zum Trost: Die Bilanz eines Flugs von Zürich nach Bali wäre mit 7,87 Tonnen CO₂ pro Person noch übler.

Bevor uns der Helikopter zur ersten Abfahrt absetzt, lernen wir den Umgang mit Lawinensender und Sondierstange. «Trotz höchster Lawinengefahr sind in dieser Woche mehr Menschen im Verkehr von British Columbia gestorben als bei
Lawinen», zerstreut Gerry unsere Ängste. Der österreichische Führer, der seit über zehn Jahren in Kanada lebt, leitet in dieser Woche das CMH-Team der sieben Guides von Bobbie Burns.

Gefährliche Mitfahrer
Für uns werden aber nicht Lawinen, sondern Mitfahrer gefährlich. Bereits am zweiten Tag fegt mich im Steilhang ein rassiger Schwede von den Ski. Das böse Resultat der blauen Flecken am Arm reibe ich dem Täter beim gemeinsamen Nachtessen genüsslich unter die Nase. Und lasse mich mit einem Dreigangmenü trösten, das bei Entenconflit und Lachsforelle anfängt und sich über Lobsterrisotto bis zum leckeren Mangomousse steigert.

In der Bobbie Burns Lodge werden die Ski- und Snowboardfahrer in drei Gruppen unterteilt. Gebückt geht es zum Helikopter, der uns auch bei stürmischem Wetter zentimetergenau auf dem Schneefeld absetzt. Die Schneequalität ist völlig anders als in der Schweiz. Der trockene Pulverschnee lässt fast keine Schneeballen formen. Dafür bietet er Tiefschneefahrten im glitzernden Champagne Powder. Der Schnee reicht einem bis fast bis zur Taille.

Dank überbreiten Freeride-Skis ist das Fahren im Tiefschnee kinderleicht. Selbst im Bruchharsch-Schnee, den wir in dieser Woche auch einmal erleben. Wir folgen dem Guide ohne Mühe. Unsere Bedenken, dass wir mit unserer Fahrkunst und Fitness nicht mitkommen könnten, verfliegen rasch. Zumal andere schwer ins Schnaufen geraten und bald im tiefen Pulver liegen, wo man sie nur mit Mühe ausbuddeln kann.

Keine Zimmerschlüssel
Lieber bei der schwächsten Gruppe zu den Besseren gehören, als bei den Guten hinterherzukeuchen. Das sagen wir dem Guide, der uns am zweiten Tag in eine aggressivere Gruppe einteilen will. Wir sind ein wilder Haufen: Da ist der 71-jährige kanadische Promi-Coiffeur mit Wiener Wurzeln. Die muntere Pflegefachfrau vom Berner Inselspital. Der 65-jährige Spargelzüchter aus Japan. Die 21-jährige Studentin aus Schweden mit ihrem Vater, einem ehemaligen VR-Präsidenten von Nobel Biocare.

Besonders atemberaubend sind die Abfahrten mit Fernsicht zuoberst im Gipfelkreis der Purcell Mountains. Zweimal erleben wir dieses Glück in dieser Woche: Keine Spur von Zivilisation so weit das Auge reicht. Nur Berge, Schnee, Felsen, Sonne und lichte Wälder. «Wie viele Schwünge hast du gezählt?», fragt Gerry. In der Tat macht es einfach Spass, so viele schöne Schwünge wie möglich hinzubiegen. Auch das kann Ehrgeiz sein. Nach knapp einem Dutzend Runs brennen die Oberschenkel. Der Helikopter bringt uns nach Bobbie Burns zurück: Einer typischen Lodge von Canadian Mountain Holidays (CMH) mit anderen Spielregeln als in einem Hotelbetrieb. Jederspricht sich mit dem Vornamen an. Keine Zimmerschlüssel. Kein Fernsehapparat. Kein Handynetz. Dafür trifft man sich vor dem Kaminfeuer im grossen Aufenthaltsraum. In der Sauna. Im Whirlpool. Oder man lässt sich von der Masseurin die verkrampften Muskeln lockern.

Die riesige Küche bleibt nachts beleuchtet, damit sich alle Gäste ungeniert bedienen können. Im Gegensatz zu einem Hüttenbetrieb kann man sich aber jederzeit in sein geräumiges Einzel- oder Doppelzimmer mit Bad – und in unserem Fall mit Balkon – zurückziehen: Spartanisch, edel und funktional. Punkt 7.15 Uhr weckt heftiges Gebimmel die müden Touristen: Auf zur Morgengymnastik. Anfänglich findet man sich noch fast vollzählig zum gemeinsamen Stretching ein. Doch mit jedem Tag schrumpft die Teilnehmerzahl: Lieber länger in den Federn bleiben. Für das reichliche Morgenessen ist nämlich wenig Zeit, denn bereits um 9 Uhr müssen die Gäste zum Abflug bereitstehen.

Jürg, ein ausgewanderter Schweizer, ist der Chef in der Luxus-Lodge. Er sorgt für eine einzigartige Ambience: Man wird von den Guides und dem Serviceteam wie von Freunden bedient, die einen verwöhnen, ohne sich aufzudrängen. Kehrt man vom Frühstück zurück ins Zimmer, haben Heinzelmännchen bereits die Betten gemacht. Beim Abendessen sitzen sie zusammen mit uns Gästen am riesigen Tisch und nehmen an den Gesprächen teil: Keine Spur von Hierarchie.

Mit Langlauf gegen den Gruppendruck
Trotzdem kann es auch eng werden beim Heliskiing. Der ständige Gruppendruck reizt das Befinden. Der Lärm des Helikopters wird zu laut, die Hektik der Abfahrten zu stressig, das Geprahle mit den Höhenmetern beginnt zu nerven. Kein Problem: Mit Langlaufen auf einsamen Pfaden sieht das Leben schnell wieder anders aus. Und rasch steigt die Lust nach Heliskiing wieder auf. Denn eines ist klar: Dieser Sport ist zwar teuer. Aber er macht süchtig.

 

Infos: Die Luxus-Lodge ist bestens eingerichtet

Unterkunft Die Bobbie Burns Lodge im Westen Kanadas (British Columbia) ist für 33 Gäste ausgestattet. Die Einzeloder Doppelzimmer mit Bad sind komfortabel, aber spartanisch eingerichtet. Am Abend lockt eine grosse Stube mit Cheminée und Hausbar zur Entspannung. Ebenso ein Billardraum, eine Sauna, ein Whirlpool im Freien sowie ein Massagezimmer. Neben der Ski- bzw. Snowboard-Ausrüstung stehen auch Langlaufskis zur Verfügung.

Anreise Der kleine Heliport in Bobbie Burns liegt je nach Witterung rund sieben Autostunden vom Flughafen Calgary entfernt. Um fit und ohne Jetlag zu sein, lohnt es sich, ein paar Tage vorher nach Kanada zu fliegen.

Videofilm Ein siebenminütiger Film eines Teilnehmers, der ein TV-Profi ist, gibt Einblicke in die Heliskiwoche im Januar 2011: www.youtube.com/watch?v=bJVtHUDQHl8.

Organisator Canadian Mountain Holidays (CMH) wurde vor über 40 Jahren vom Österreicher Hans Gmoser gegründet. In der Schweiz arbeitet CMH etwa mit Knecht Reisen zusammen.