Weingut Schwarzenbach in Meilen am Zürichsee: Typische Anbauregion für den Riesling-Sylvaner in der Schweiz.
Auch wenn es sich bei der weissen Rebsorte Riesling-Sylvaner um die erfolgreichste Neuzüchtung der Welt handelt und sie heute rund um den Globus angebaut wird, ist es um ihren Ruf in der Weinliteratur nicht zum Besten bestellt. Uninteressant, langweilig, austauschbar, flau… So oder noch vernichtender lauten die Adjektive des pauschalen Verdikts vieler Weinjournalisten, was eine differenziertere Auseinandersetzung mit dieser weltweit immerhin auf rund 42000 Hektaren kultivierten Sorte überflüssig macht. Doch wer mit einer von Arroganz und Ignoranz zeugenden Verdammung des Riesling-Sylvaner sich zu profilieren gedenkt, wiederholt nur ein gebetsmühlenhaft verbreitetes Vorurteil, statt sich eingehender mit der Materie zu befassen. Denn wie bei jeder anderen Rebsorte beeinflussen beim Riesling-Sylvaner neben den sortentypischen Charakteristiken auch die Lagen, die Böden, der Anbau und die Kelterung das Wein gewordene Endresultat. Mit anderen Worten: Es ist nicht die Schuld einer Sorte, wenn Winzer sie dazu missbrauchen, aus ihr massentaugliche Billigweine zu keltern.
Doch genau dies war der Fall im Nachkriegsdeutschland, als der ertragsreiche, unprätentiöse Riesling-Sylvaner sich in den Weinbergen so sehr ausbreitete, dass gar eine Zeitlang rund 25 Prozent der Rebfläche der Bundesrepublik mit ihm bestockt waren und er den hochwertigen Riesling in der Rebflächenstatistik auf Platz zwei verwies. Das hat sich zwar inzwischen wieder geändert. Doch bis heute muss der Riesling-Sylvaner in Deutschland unter seiner unrühmlichen Vergangenheit leiden, als er Bestandteil billiger, süss-flauer Liebfrauenmilch-Weine und anderer minderwertiger Erzeugnisse war.
Besser steht es um seine Reputation in anderen Weinländern. In Italien etwa geniesst er einen guten Ruf. Im Südtirol, wo er vor allem im Eisacktal und im Vinschgau angebaut wird, liefert er frisch-fruchtige, würzig-mineralische Weine, die auch von Weinkennern geschätzt werden. Und in der Schweiz, seiner Urheimat, ist er hinter dem Chasselas die am meisten angebaute Weissweinsorte, auch wenn er in den letzten Jahren von weissen und roten Spezialitäten bedrängt wird. Doch ist der Riesling-Sylvaner in der Deutschschweiz noch immer der Spitzenreiter unter den weissen Varietäten. Und tatsächlich gibt es hier kaum einen Winzer, welcher nicht auch einen Riesling-Sylvaner im Sortiment hätte. Das gilt notabene auch für die meisten Spitzenwinzer. Auch sie halten dem Riesling-Sylvaner die Treue und beweisen damit auf eindrückliche Weise, dass der respektvolle Umgang mit dieser Sorte finessenreiche, knackige Weine liefern kann, deren Aromenspektrum von floralen und kräuterartigen über würzige bis hin zu mineralischen Noten reicht. Wenn dazu noch spritzige Frische und ein eleganter, aber solider Körper kommen, dann haben wir einen Wein im Glas, der sich als subtiler Essensbegleiter bewährt und gerade an heissen Sommertagen viel Trinkfreude bereiten kann. Manche Winzer versuchen darüber hinaus, das durchaus vorhandene Potenzial der Sorte auszuloten, und erzeugen Assemblagen, Schaumweine und restsüsse Spätlesen.
So unterschiedlich wie die Weinstile, so verschieden sind auch die Bezeichnungen für die Sorte, die der aus dem thurgauischen Tägerwilen stammende Rebforscher Hermann Müller 1882 an der Forschungsanstalt Geisenheim im Rheingau züchtete. Müllers Ziel war es, die Qualität der grossen Riesling-Rebe mit der Verlässlichkeit und frühen Reife der Sylvaner-Rebe zu kombinieren. Neuste ampelographische Forschungen haben aber ergeben, dass die Sorte nicht etwa eine Kreuzung von Riesling mit Sylvaner ist, sondern von Riesling mit der Tafeltraube Madeleine Royale, einer Gutedel/Chasselas-Variante. Vor dem Hintergrund dieser Erkenntnis wäre es nun an der Zeit, dass man den hierzulande noch verbreiteten Namen Riesling-Sylvaner oder den in Deutschland, Österreich und Luxemburg kursierenden Begriff Rivaner gegen die zwar nicht sehr elegante, aber zumindest nicht falsche Bezeichnung Müller-Thurgau tauschte.