Der Bass brummt, die Gitarren dröhnen, die Menge tanzt ekstatisch – an einem Open Air folgt ein musikalischer Höhepunkt dem nächsten. Für manche Musikfans gibt es kaum Verschnaufpausen – und damit keine Zeit, verbrauchte Materialien korrekt zu entsorgen. Oder die Besucher haben einfach keine Lust, einen Umweg zu machen. Schnell ist dann ein leer getrunkener Becher anonym in der Menge fallen gelassen. Im Rausch geliebter Musik sind dem Litterer auch die 2 Franken Depot gleichgültig. Er gibt sich weiter der Musik hin.
Der Kater folgt am nächsten Morgen. Allerdings nicht für den Litterer, sondern für den Veranstalter. Wenn die Besucher längst weg sind, verdrecken ihre Kehrichtberge das Gelände. Jedes Jahr erreichen uns via Medien die Abfallbilder der Open-Air-Festivals. Nicht bloss Plastikbecher liegen herum, sondern alles Mögliche und Unmögliche, das die Besucher ins Festgelände mitnehmen oder dort kaufen. Besonders auffällig: Immer mehr Zelte werden zurückgelassen – kostenfrei entsorgt.
Veranstalter reagieren mit Depots
Die Organisatoren müssen reagieren, wollen sie aus den Negativ-Schlagzeilen herauskommen. Das Problem kennen alle. Die Lösungsansätze sind vielfältig. An räumlich begrenzten Veranstaltungen hat sich etwa ein Depot auf Becher und PET-Getränkeflaschen bewährt. Andere Veranstalter, etwa jene des Openair Frauenfeld, verlangen ein allgemeines Mülldepot: Die Gäste bezahlen mit dem Ticket ein Depot von 10 Franken und erhalten beim Eingang einen Müllsack. Das Depot bekommen sie zurück, wenn sie am Ende des Open Airs einen vollen Abfallsack vorweisen und entsorgen können.
Das gleiche Prinzip wenden einige Veranstalter auch für die Zelte an, etwa jene des St.Galler Open Air. Sie verlangen vom Besucher einen Betrag von 20 Franken pro Zelt. Haben die Besucher beim Verlassen des Geländes ihr Zelt dabei, wird ihnen der Betrag zurückerstattet.
Die Veranstalter des Greenfield Open Air in Interlaken führten alle beschriebenen Massnahmen ein. Gemäss Geschäftsführerin Iris Huggler hat sich die Situation dadurch verbessert: «Klar, das Littering-Problem besteht immer, wo viele Leute zu Musik feiern. Trotzdem: Dieses Jahr verlangten wir erstmals ein Depot auf die Zelte. Viel mehr Zelte als letztes Jahr wurden von den Besuchern wieder mitgenommen, obwohl es hagelte und stürmte und viele Zelte verschlammt und kaputt waren.» Für Huggler gibt es noch einen weiteren Grund, warum am Greenfield Festival Mitte Juni weniger Abfall liegen blieb: «Wir setzten auf die Mitverantwortung der Besucher, riefen sie auf, dem Gelände und der Umwelt Sorge zu tragen.»
Es genügt also nicht, wenn die Open-Air-Veranstalter bloss ein Depot auf Becher, PET-Getränkeflaschen und Zelte erheben. Sie müssen die Besucher für das Problem sensibilisieren und sie animieren, auf das Littering zu verzichten. Vielleicht so, wie es die neue Studie «Littering in der Schweiz» aus dem Jahr 2014 vorschlägt: Der Open-Air-Veranstalter gibt zwei verschieden teure Tickets heraus. «Nicht-Litterer» zahlen fürs Ticket weniger. Der Gast wiederum verpflichtet sich, das Gelände sauber zu halten. Hält er sich nicht an die Abmachung, muss er das Fest verlassen. Wenn der Festival-Besucher auf diese direkte Art angesprochen wird, kann sich sein Littering-Verhalten bessern. Mit solchen Commitment Devices oder ähnlichen Massnahmen bleiben für die Veranstalter die Negativ-Schlagzeilen dann vielleicht nächstes Jahr aus.
Lukas Schumacher, Marketingleiter, PET-Recycling Schweiz, Vorstand IG saubere Umwelt, Zürich.