Wenn es nach dem Zürcher Böögg geht, wird der Sommer 2014 prächtig: Schon nach 7 Minuten und 23 Sekunden explodierte der Kopf des Riesenschneemanns. Dieser Augenblick ist jeweils der Höhepunkt des traditionellen Zürcher Frühlingsfestes Sechseläuten. Der Augenblick, in dem es den Kopf des 3,40 Meter hohen Schneemanns auf dem 13 Meter hohen Scheiterhaufen zerreisst, ist entscheidend: Je länger es dauert vom Entzünden des Scheiterhaufens bis zum grossen Knall, desto schlechter wird gemäss Volksweisheit der Sommer. Diesen Augenblick festzulegen, war am Montag nicht einfach: Nach einer ganzen Reihe von Explosionen kippten die Reste des Kopfs von der Stange. Die gültige Zeit musste im Nachhinein mit Hilfe von Zeitlupenaufnahmen festgelegt werden.
Die Vorhersage war umso tröstlicher, als sich das Zürcher Wetter zum Frühlingsfest von seiner garstigen Seite zeigte. Darauf verlassen, kann man sich allerdings nicht. Das Talent des Bööggs als Wetterfrosch lässt nämlich zu wünschen übrig. Die Erfahrung zeigt, dass er sich meistens irrt. Im letzten Jahr etwa liess die Dauer von 35 Minuten und 11 Sekunden nichts Gutes erwarten - der Sommer wurde dennoch sonnig und warm. Umgekehrt 2012: Der Bööggen-Kopf explodierte nach 12 Minuten und 7 Sekunden, ein passabler Sommer war angesagt - er war dann weitgehend verregnet. Einzig 2003 stimmte die Prognose: Nach 5 Minuten und 42 Sekunden explodierte der Kopf - es folgte der «Jahrhundertsommer». Erst ein einziges Mal bisher, 1923, regnete es so heftig, dass der Böögg nicht verbrennen wollte.
Gastkanton Obwalden und viel Prominenz
Rund 5000 Zünfter, Musikanten, Ehrengäste und Gäste nahmen am Montagnachmittag am Zug der Zünfte durch die Zürcher Innenstadt teil. Zu Fuss, zu Pferd oder im blumengeschmückten Wagen zogen sie an den tausenden Zuschauerinnen und Zuschauern vorbei, die sie beklatschten und Blumen verteilten. In jeder Zunft schreiten traditionsgemäss einige Ehrengäste und zahlreiche Gäste mit. Ehrengäste sind jeweils Prominente und weniger Prominente aus Politik und Wirtschaft, Wissenschaft und Kultur, Militär, Medien und Sport.
Der diesjährige Gastkanton Obwalden war vertreten durch sechs Politiker, einen Kirchenmann und einen Sportler: Ständerat Hans Hess, Nationalrat Karl Vogler, die Regierungsräte Franz Enderli und Niklaus Bleiker, Landammann Paul Federer, Kantonsratspräsident Urs Küchler, Christian Meyer, Abt des Klosters Engelberg, und den Kranzschwinger Benji von Ah.
Die Schweizer Landesregierung war durch Bundesrat Johann Schneider-Ammann vertreten. Der ebenfalls eingeladene Ueli Maurer hatte aus terminlichen Gründen abgesagt. Wie sich später herausstellte, war Maurer an der Sitzung der Sicherheitspolitischen Kommission des Nationalrats zum Nachrichtendienstgesetz. Für das eidgenössische Parlament marschierte unter anderem Ständeratspräsident Hannes Germann mit, für die Armee Korpskommandant André Blattmann.
Frauen zum zweiten Mal im Umzug dabei
Als weitere Ehrengäste geladen waren - neben vielen anderen - Nationalbank-Präsident Thomas Jordan, Economiesuisse-Präsident Heinz Karrer, SRG-Generaldirektor Roger de Weck, ETH-Direktor Lino Gurzella und Opernhaus-Intendant Andreas Homoki. Den Bereich Sport vertrat unter anderen Olympia-Snowboard-Sieger Iouri Podlatchikov. Und auch ein leibhaftiger König war dabei: Schwingerkönig Matthias Sempach.
Zum zweiten Mal nach 2011 marschierten auch die Frauen mit: Die Gesellschaft zu Fraumünster war als Gast bei der Gesellschaft zur Constaffel dabei. Ob die Zünfterinnen auch in kommenden Jahren beim Männerumzug mitmarschieren dürfen, ist allerdings offen.
Der neue Sechseläutenplatz
Von der Bahnhofstasse ging es in rund dreistündigem Marsch bis zum Sechseläutenplatz. Erstmals präsentierte sich dieser nicht als Wiese, sondern als nigelnagelneuer Platz, der mit Valser Quarzit belegt ist. Letzte Woche war er in einem mehrtägigen Volksfest eingeweiht worden.
Wie es der Brauch vorschreibt, wird jeweils punkt 18 Uhr der Scheiterhaufen unter dem Böögg in Brand gesteckt. Während sich die Flammen in die Höhe fressen, galoppieren die berittenen Zünfter rund um den Scheiterhaufen. Zum Schutz des Steinbelags und der Pferde war eine dicke Schicht eines speziellen Sand-Granulat-Gemischs rund um den Böögg ausgelegt worden.
(sda/gku)